Professor Helge Löbler ist der Jean Pütz der Wirtschaftswissenschaftler. Nicht nur, weil Smile – der Name seiner Initiative – eher nach Cremetiegel als nach Gründer-Coaching und Netzwerkmanagement klingt.
Professor Helge Löbler ist der Jean Pütz der Wirtschaftswissenschaftler. Nicht nur, weil Smile – der Name seiner Initiative – eher nach Cremetiegel als nach Gründer-Coaching und Netzwerkmanagement klingt. Auch nicht wegen der ähnlichen Barttracht, sondern wegen seiner Art, voller Begeisterung und Hingabe über sein Projekt zu sprechen. Smile ist eine Kooperation zwischen Universität und Handelshochschule Leipzig – und Löbler einer der drei Leiter.
Geradezu überschwänglich referiert er über das studentische Ego: „Jedes Individuum ist eine schillernde Persönlichkeit, der man nur die Möglichkeit geben muss aufzublühen." Seit einem Jahr sind das achtköpfige Smile-Team und 30 externe Referenten dabei, diesen romantischen Idealismus in mehr als tausend Seminarteilnehmer zu pflanzen. In den kostenlosen Seminaren können Studenten, Mitarbeiter und Absolventen ihre Kommunikationstechniken aufpolieren oder Wissen über Selbstständigkeit erwerben. Dabei geht es nicht ums Beraten, sondern um praktische Unterstützung. Natürlich wird nicht jeder durch ein Seminar zum erfolgreichen Unternehmer; so wie niemand durchs Schauen der Hobbythek zum Apotheker wird. Doch Löbler garantiert, dass man herauskommt und etwas Neues über sich gelernt hat.
Marion Nagel ist eine der erfolgreich Gecoachten. Gerade hat sie den Gründerpreis der Sparkasse gewonnen. Sie und ihr Kollege Thomas Matsche leiten Mediaport, eine Gesellschaft für Medienkompetenz. Während der Arbeit bei Radio mephisto 97.6 fiel der Geisteswissenschaftlerin Marion ein Smile-Flyer in die Hände. Wenig später besuchte sie ein Gründerseminar und stellte dort ihre Ideen vor.
Nach langen Diskussionen, einem „praxisbezogenen Betriebswirtschafts-Crashkurs" und gemeinsamen Terminen bei Banken und Steuerberatern hatten die beiden dann ihr eigenes Büro. Übrigens gleich neben dem ihres Gründer-Coachs. „Ich glaube nicht, dass wir es ohne so kompetente Begleitung schon so weit geschafft hätten", erklärt Marion. Sie gähnt. Heute früh sei, neben der normalen Arbeit, noch ein Fotograf da gewesen und die Homepagegestaltung an Profis übergeben worden. „Ein typischer Gründerfehler ist es nämlich, zu denken, dass man alles alleine kann. Man muss aber lernen, auch mal um Hilfe zu bitten und Fragen zu stellen."
Dann mal los, denke ich und melde mich zum Workshop für selbstständige Journalisten an. Ich komme zu spät. Verdammt. Zum Glück stellt sich heraus, dass die anderen nicht besser sind – vielleicht die erste erbauliche Erkenntnis des Tages. Erst drei Mädels sitzen bereits im Raum, vertieft in Verdi-Broschüren. Nach und nach trudelt noch eine Handvoll angehender selbstständiger Künstler und Medienleute ein. Wir stellen uns vor. Radio Mephisto und Grafikdiplom hier, Praktikum bei der Deutschen Welle da und die Frage aller Fragen: „Wie mache ich der anderen Seite klar, was ich wert bin und dass man gute Arbeit bezahlt?"
Schwierige Arbeitgeber
Fast alle der Seminarteilnehmer sind Absolventen und haben schon erste Schritte in die Selbstständigkeit gewagt. Nun sind sie, auf der Suche nach besseren und leichteren Wegen auf Smile gestoßen. Die Meute wird zum Chor, einer singt sein Lied von schwierigen Arbeitgebern, der Rest tuschelt zustimmend im Hintergrund. „Das Problem kenn ich", sagt Dozent Andreas Ulrich. Er greift zum Stift. Mit missionarischem Eifer malt der freie Journalist aus Berlin Schaubilder an die Tafel, schreibt Beispielrechnungen und klärt über Krankenversicherungen auf. Kurz: Er hilft, wo er nur kann.
Da ich noch eine Mensakarte habe, lade ich Sandra Hasse zum Essen ein. „Tja, wenn das Studium vorbei ist, kann man nicht mal mehr Essen gehen", scherzt sie bitter. „Ich dachte, mit einem Studienabschluss kann einem nichts passieren, aber wenn meine Stelle als Hilfskraft an der Uni wegbricht, weiß ich nicht, wie es weitergeht", seufzt Sandra bei Schnitzel und Kartoffelbrei. Sie hat ein Diplom in Biologie und möchte freie Wissenschaftsjournalistin werden. „Vielleicht war es falsch, das Angebot zur Promotion abzulehnen, aber das ist echt nichts für mich", sagt sie. Am Abend trennt sich die Workshopgruppe, müde und recht zufrieden. Die erste Euphorie des Ich-bin-nicht-allein-Gefühls fliegt aber doch mit zur Tür heraus.