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Stadtleben

»Vorurteile sind erst mal etwas ganz Normales«

Der erste Diversity-Manager bei der Stadt, Konstantin Heinze, über seine Arbeit 

  »Vorurteile sind erst mal etwas ganz Normales« | Der erste Diversity-Manager bei der Stadt, Konstantin Heinze, über seine Arbeit   Foto: Stadt Leipzig

In der Stadtverwaltung soll sich Diversität stärker widerspiegeln. Seit Mai 2024 ist Konstantin Heinze der erste Diversity-Managers der Stadt. Was die Aufgaben und Ziele seiner Arbeit sind, erklären er und der Abteilungsleiter für Personalgewinnung Jan Hochthurn dem kreuzer im Gespräch.  
 

Warum hat sich die Stadt Leipzig für die Einrichtung dieser neuen Stelle entschieden? 

HOCHTHURN: Bei einem Sommerpraktikum 2021 hat sich eine Praktikantin mit Diversität und der Gewinnung von Menschen mit Migrationsgeschichte beschäftigt. Seitdem ist das ein Herzensthema für uns geworden, weil wir da enormes Potenzial haben. Der Anteil von Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft liegt bei uns unter einem Prozent. Wir haben nun zum Beispiel Sprechstunden für Menschen mit Migrationsgeschichte, die sich für eine Beschäftigung bei der Stadtverwaltung interessieren. Wir haben aber auch gemerkt, dass man das Thema nicht nebenbei bearbeiten kann. 

Was genau ist das Ziel Ihrer Arbeit? 

HEINZE: Die Stadtbevölkerung mit ihren verschiedenen Lebensrealitäten besser innerhalb der Belegschaft der Stadtverwaltung zu repräsentieren. Das stellt eine gewisse Legitimation des Verwaltungshandelns her, aber auch eine Perspektivenvielfalt. Viele Personen mit Migrationsgeschichte oder anderen Vielfaltsdimensionen haben für sich selbst gar nicht die Perspektive, im öffentlichen Dienst arbeiten zu können – wir möchten also auch am Image des öffentlichen Dienstes arbeiten, um Berufsperspektiven bei verschiedenen Personengruppen zu eröffnen und Hemmschwellen abzubauen. 

Wie machen Sie das? 

HEINZE: Wir haben zum Beispiel die Sprechstunden im Willkommenszentrum. Dort können neu in Leipzig angekommene Personen mit Migrationshintergrund ohne Termin Fragen stellen wie: Wie funktioniert der Bewerbungsprozess bei der Stadt? Kann ich meinen Abschluss anerkennen lassen? Ein anderes Beispiel ist das Förderprogramm »Integration durch Qualifizierung«, das durch die Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie koordiniert wird; wir sind dabei Praxispartnerin. In dem Programm können Personen mit ausländischen Abschlüssen über mehrere Monate theoretische Kurse zur deutschen Verwaltung, zu Gesetzestexten und anderen Themen belegen. Es gibt dann eine kleine Abschlussprüfung und die Möglichkeit auf ein Praktikum bei der Stadt. Außerdem arbeiten wir im Personalamt an einem neuen Gleichstellungsplan nach dem Neuen Sächsischen Gleichstellungsgesetz (seit 1. Januar 2024 gültig, Anm. d. Red.). Insgesamt ist die Geschlechterverteilung in den Fachämtern stark von den beruflichen Einsatzfeldern abhängig. Wir hoffen, künftig eine noch stärkere Durchmischung hinzubekommen, zum Beispiel eine Erhöhung des Frauenanteils in der Berufsfeuerwehr. Toll ist, dass wir beim Anteil von Frauen in Führung schon ganz gut dastehen. 

Was unterscheidet Ihre Arbeit von der einer oder eines Gleichstellungsbeauftragten? 

HEINZE: Eine Interessensvertretung, wie beispielsweise die Gleichstellungsbeauftragte oder Schwerbehindertenvertretung, vertritt die Interessen einer Gruppe an Beschäftigten und hält den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin dazu an, die Verhältnisse für diese zu verbessern. Auch können bei ihr Diskriminierungsfälle gemeldet werden. Ich habe eher den Schwerpunkt, Projekte zu entwickeln und für Menschen mit verschiedenen Vielfaltsmerkmalen einen größeren Pull-Faktor herzustellen, sich bei uns zu bewerben. Aber natürlich geht es nicht nur darum, Personen reinzuholen, sondern auch interne diskriminierungssensible Strukturen aufzubauen. Das beginnt schon bei den Stellenausschreibungen und dem Bewerbungsprozess.  

Was würden Sie sagen, ist die größte Herausforderung in Ihrer Arbeit? 

HEINZE: Eine Herausforderung gibt es eigentlich nur, falls bei Personen noch keine entsprechenden Deutschkenntnisse vorliegen, da wir hier als Amtssprache Deutsch sprechen. Das ist gesetzlich festgelegt. Im Willkommenszentrum können wir aber innerhalb von Sekunden Videodolmetscher in der benötigten Sprache dazuschalten. 

HOCHTHURN: Themen wie Diskriminierung sind natürlich auch nicht immer einfach anzusprechen und erfordern Fingerspitzengefühl. Niemand würde sagen: Ich diskriminiere. Wir versuchen im Recruiting mit Schulungen ein Bewusstsein zum Beispiel für den nachgewiesenen psychologischen Effekt zu schaffen, dass man zu Menschen, die einem in irgendeiner Form ähnlich sind, unterbewusst eine gewisse Nähe spürt und dadurch möglicherweise wohlwollender bewertet.  

HEINZE: Vorurteile sind ja erst mal etwas ganz Normales, weil unser Gehirn nach Orientierung und Sicherheit sucht. Es geht darum, Sensibilität zu entwickeln und zu merken, wann man in eine Pauschalisierung reinrutscht. Dieses Denken muss reflektiert werden, um Änderungen zu bewirken. 

Welche Erfolge konnten Sie bisher erzielen und woran machen Sie das fest? 

HEINZE: Sichtbare Erfolge sind etwa, dass wir Personen durch das Förderprogramm in Praktika vermitteln konnten. Mehrere haben es auch schon geschafft, befristete Anstellungen in der Stadtverwaltung zu erhalten, weil die Fachbereiche so begeistert von ihnen waren und sie sich dort auch wohlgefühlt haben. Positiv überrascht war ich auch von der kooperativen Resonanz, nachdem wir die Stelle intern bekannt gemacht haben. Viele meinten zu mir: Endlich gibt es so was. Für mich ist es auch ein Erfolg, wenn mich Personen aus dem Recruiting-Team fragen: Hey, kannst du noch mal über diese Formulierung schauen? Oder: Wie kann ich mich verhalten, wenn eine Person in den Bewerbungen beim Geschlecht divers angegeben hat? Das zeigt mir, dass die Stelle schon gut etabliert ist und dass es Kolleginnen und Kollegen wichtig ist, dass sich diese Person im Bewerbungsprozess so wohl wie möglich bei uns fühlt.  

  


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