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Kultur

Leipziger One-Man-Show

Gunter Sachs trifft mit seiner Retrospektive auf ein willfähriges Museum unter Quotendruck

  Leipziger One-Man-Show | Gunter Sachs trifft mit seiner Retrospektive auf ein willfähriges Museum unter Quotendruck

Wie das Museum der bildenden Künste an die derzeit zu sehende große Gunter-Sachs-Ausstellung kam, erzählt Museumsdirektor Hans-Werner Schmidt jedem, der danach fragt. Sachs und Schmidt hätten sich bei der Eröffnung der Sammlung Frieder Burda in Baden-Baden kennen gelernt, Schmidt habe Sachs später einen Brief geschrieben, in dem er ihn einlud, seine Sammlung in Leipzig zu zeigen.

Wie das Museum der bildenden Künste an die derzeit zu sehende große Gunter-Sachs-Ausstellung kam, erzählt Museumsdirektor Hans-Werner Schmidt jedem, der danach fragt. Sachs und Schmidt hätten sich bei der Eröffnung der Sammlung Frieder Burda in Baden-Baden kennen gelernt, Schmidt habe Sachs später einen Brief geschrieben, in dem er ihn einlud, seine Sammlung in Leipzig zu zeigen. Dann sei Sachs zu Besuch gekommen, wäre begeistert vom Museum gewesen und habe zugesagt, nachdem er festgestellt habe, dass Schmidt wie er ein Skorpion sei.

Diese Geschichte gerät nun ins Wanken. Offenbar haben nämlich die Mannheimer Kunstvermittler Peter Reichelt und Ina Brockmann dem Museum die Sachs-Ausstellung angeboten. Das geht aus einer dem KREUZER vorliegenden, umfangreichen Korrespondenz der Agenten sowohl mit dem Büro Sachs als auch mit Schmidt hervor. Danach trafen sich Reichelt und Brockmann mit dem Ex-Playboy, boten sich in Leipzig als Ausstellungsvermittler an und forderten dafür später ein Honorar in Höhe von 23.800 Euro. Sowohl vom Museum als auch von der Sachs-Seite wird jedoch bestritten, dass es eine Anbahnung durch die Agenten gegeben habe.

Zunächst erwähnt Schmidt in einem Brief vom September 2006 an das Büro Sachs das Angebot von Reichelt und Brockmann und schreibt, dass er sich darüber »spontan gefreut« habe. Der Leipziger Museumsleiter und die Mannheimer Agentur kannten sich von gemeinsamen Ausstellungsprojekten aus der Zeit, als Schmidt noch Direktor an der Kunsthalle in Kiel war. Laut Reichelt bestand damals »ein freundschaftliches Verhältnis« zwischen ihnen. Heute aber bezeichnet Schmidt die Kunstagenten, die in der Vergangenheit Ausstellungen von Linda McCartney, Klaus Kinski und Leni Riefenstahl an verschiedene Museen vermittelten, im Zusammenhang mit der Sachs-Ausstellung als »Trittbrettfahrer«. Später, als die Ausstellung terminiert war und die Agenten ihre Honorarforderung stellten, schrieb Schmidt an die beiden: »Es gibt kein Vertragsverhältnis, dass Sie berechtigt, die Sammlung Gunter Sachs zu vermitteln«, führt aber fort: »Wenn es nach Ihrer Meinung eine von Ihnen erbrachte Leistung gibt, dann bitte ich, diese im Sinne einer Leistungsbeschreibung zu konkretisieren, damit diese mit einem entsprechenden Entgelt abgegolten werden kann.« Gab es also doch eine Mitwirkung der Mannheimer? Zur Geschichte der astrologischen Koinzidenz und der Anziehungskraft eines überregional strahlenden Museums würde sie nicht recht passen.

Auch die Münchner Agentur Unid, die für Sachs die Pressearbeit macht, betont, dass Reichelt und Brockmann keinen Anteil am Zustandekommen der Ausstellung gehabt hätten. Erstaunlicherweise aber schreibt Sachs’ Sekretariatsmitarbeiter Hendrik Stängle Ende 2007 an Reichelt, dass er ihm nach Rechnungseingang »umgehend« 11.900 Euro, also die Hälfte der Forderung, als »Auslagenersatz im Rahmen der Ausstellungsvorbereitung ‚Gunter Sachs im Museum der bildenden Künste Leipzig’« überweisen werde. Schmidt mutmaßt über diesen Umstand, Sachs habe endlich seine Ruhe haben wollen.

Gleichzeitig kursiert das Gerücht, Sachs habe sich in Leipzig eingekauft. Auf die Frage, wie die finanzielle Zusammenarbeit mit Sachs ausgesehen habe, antwortete Schmidt: »In einer klassischen Ausstellung sorgt der Künstler für Kunstwerk und Rahmen, das Museum für Transport und Hängung. Hier ist die gesamte Ausstellung, die Biografie von Gunter Sachs der Rahmen.« Das lässt sich auch als Hinweis auf eine besonders umfassende Beteiligung von Sachs an den Ausstellungskosten auffassen. Werkauswahl und Hängung wurden komplett von Sachs und seinen Mitarbeitern besorgt – üblicherweise die Aufgabe von kunsthistorisch ausgebildeten Museumskuratoren. Auch die Begleitpublikationen zur Ausstellungen wurden in Sachs’ PR-Abteilung geschrieben. Ein großformatiges Magazin mit Andy Warhols Sachs-Porträt auf dem Titel beinhaltet neben Lobgesängen auf den 75jährigen von Mario Adorf bis Günter Netzer ein Kreuzworträtsel und ein Rezept für Königsberger Klopse.

KREUZER-Informanten zufolge sicherte sich das PR-Büro von Sachs außerdem Einfluss bei museumsinternen Redaktionsaufgaben: »Jeglicher Artikel ging über das Büro Sachs.« Auch die im Quartalsheft gedruckte Formulierung, Andy Warhol habe 1972 die erste »umfassende Galerieausstellung« in Europa veranstaltet, sei das Ergebnis eines Kompromisses zwischen dem Museum und den Sachs-Leuten gewesen. Dabei waren Warhol-Ausstellungen seit 1965 mehrfach in Europa und auch schon in Deutschland zu sehen gewesen. Schmidt und Sachs-Sprecher Ralph Missy erklärten das Wörtchen »umfassend« auf der Eröffnungspressekonferenz damit, dass die Warhol-Schau in der Hamburger Sachs-Galerie einen anderen Charakter gehabt hätte als die Vorgänger-Ausstellungen.

Die Vorplanungen für die Sachs-Show begannen 2006, als das Museum wegen gesunkener Besucherzahlen und einer angeblich jugendgefährdenden Installation von Christoph Schlingensief im Lokalteil der Leipziger Volkszeitung zum Teil heftig attackiert worden war. Oberbürgermeister Burkhard Jung verlangte seinerzeit »eine deutliche Steigerung« der Besucherzahlen. LVZ-Chefredakteur Bernd Hilder soll Museumsdirektor Schmidt damals gar die Übernahme einer großen Caspar-David-Friedrich-Ausstellung empfohlen haben.

Dieses Regime des Populismus setzt sich nun fort. Während die Stadtspitze für Sachs einen Sonderwerbeetat von 100.000 Euro aus dem klammen Haushalt zur Verfügung stellte, muss eine umfangreiche Lovis-Corinth-Schau im Sommer ohne Unterstützung auskommen. Die Begründung: mit der Sachs-Ausstellung werde »der Ruf Leipzigs als Kulturstadt gefestigt«. Außerdem wurde in mindestens einem Fall ein Kulturredakteur der Lokalzeitung angehalten, einen Text über die Ausstellung vor Abdruck dem PR-Büro von Sachs vorzulegen. Insider berichten zudem, dass Sachs und Hilder gemeinsam essen gewesen seien.

Oberbürgermeister Jung freute sich indes über »die Riesenchance, national und international als Kunst- und Kulturstadt im Mittelpunkt zu stehen.« Und der Intendant des in Leipzig beheimateten Mitteldeutschen Rundfunks Udo Reiter lobte: »Für die Stadt ist die Ausstellung ein Renner. Es ist wie beim MDR: Ein bisschen aufs Publikum zuzugehen, ist sehr wichtig«. Dabei ist das Haus bekanntlich durchaus keine Provinzklitsche, die man mit Bedeutung aufpumpen müsste. Das Museum beherbergt eine der wichtigen deutschen bürgerlichen Gemäldesammlungen, die Stadt kann sich mit Malersöhnen wie Klinger, Beckmann oder Hans Hartung schmücken. Ganz zu schweigen von den Erfolgen der gegenwärtigen Leipziger Malerei.

In Sachs’ Autobiografie erfährt man übrigens, dass der kleine Gunter Märchen über alles liebte. Als deutsches Märchen wird sein libertäres Playboy-Leben in der Adenauer-Zeit gern aufgefasst. Die Vorgänge in Leipzig erinnern sehr an »Des Kaisers neue Kleider«.


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