Der kleine Saal 12 im Landgericht Leipzig ist an diesem Mittwochmorgen gut gefüllt. Vor allem jungen Besucherinnen und Besuchern, augenscheinlich aus der linkspolitischen Szene, füllen die wenigen Stühle. Doch ein Platz ist frei: auf der Anklagebank. Eigentlich sollte hier Max Schreiber sitzen. Er ist Politiker und Chef der rechtsextremen Partei Freie Sachsen in Pirna. In Leipzig ist er angeklagt, weil er die Persönlichkeitsrechte einer Dresdner Aktivistin verletzt haben soll. Dass ihn die Richterin dafür verurteilt, wird er am Mittwoch nicht persönlich erleben. Doch der Reihe nach.
Um kurz vor neun Uhr kommt die Richterin, öffnet die Türen zum Saal, die davorstehende Menge verteilt sich schnell auf die wenigen Zuschauerplätze. An einem Tisch links von der Richterin nimmt die Frau Platz, die diesen Prozess angestoßen hat. Neben ihr sitzt ihr Anwalt. Die Klägerin ist politische Aktivistin und setzt sich seit mehreren Jahren vor allem in Dresden gegen Rechts ein. Sie beschuldigt Schreiber, eine Videoaufnahme zu verbreiten, auf der sie zu sehen sei, und damit ihre Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Deswegen hat sie eine Unterlassungsklage eingereicht, damit Schreiber dies zukünftig gerichtlich untersagt wird. Doch um kurz nach neun Uhr ist noch keine Spur von Schreiber zu sehen. Die Richterin lächelt. Sie warte mal noch die akademische Viertelstunde ab, sagt sie in den Raum. Die Besucherinnen und Besucher stecken ihre Köpfe zusammen und unterhalten sich, die Klägerin sitzt ruhig neben ihrem Anwalt.
Max Schreiber ist ein umtriebiger Rechtsextremist und ehemaliger Politiker der NPD aus Heidenau. Heute ist er das Gesicht der Kleinstpartei Freie Sachsen im Großraum Dresden, die dort so klein gar nicht ist. Er organisiert regelmäßig rechte Demonstrationen in der Landeshauptstadt, betreibt einen eigenen Telegram-Kanal und ist aktiver Parteipolitiker. Im letzten Jahr trat Schreiber für die Freien Sachsen bei den Kommunalwahlen an. Er wurde sowohl in den Heidenauer Stadtrat als auch in den Kreistag für den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gewählt. Dieses Jahr kandidierte er für das Amt des Bürgermeisters von Heidenau. Bei der Wahl im März lag er mit immerhin 16,4 Prozent auf dem dritten Platz und noch vor dem von der AfD unterstützen Kandidaten.
Für Schreiber ist diese Angelegenheit nicht seine erste Auseinandersetzung vor Gericht. Wegen rassistischer Aussagen wurde er bereits wegen Volksverhetzung bestraft. Und erst im letzten Jahr wurde er zusammen mit seinem Bruder Moritz Schreiber wegen Körperverletzung und Nötigung verurteilt: 2023 hatten sie zusammen einen E-Scooter-Fahrer angehalten und auf ihn eingeprügelt. Auf einer Demo in Dresden im Jahr zuvor hatten die beiden Pressefotografen und deren Begleitung bedroht. Das Amtsgericht Dresden verurteilte Max Schreiber für beide Taten zu 14 Monaten Haft auf Bewährung, die Bewährungsstrafe seines Bruders fiel einige Monate geringer aus.
Auch nach Ablauf der akademischen Viertelstunde taucht Max Schreiber an diesem Morgen nicht auf. Die Richterin greift um Punkt 09:15 Uhr zu ihrem Diktiergerät, in das sie mit einem Achselzucken schnell hineinspricht. Der Klage der Aktivistin wird stattgegeben und der abwesende Rechtsextremist verurteilt – ein Versäumnisurteil, wie man das im Zivilrecht nennt. Schreiber darf das Video nicht weiterverbreiten, tut er es ab jetzt doch, könnten Ordnungsgelder gegen ihn verhängt werden. Zudem muss er die Anwaltskosten der Klägerin übernehmen. In den Zuschauerreihen gibt es kurze Verwunderung und ein leises Auflachen angesichts dieses kurzen Prozesses. Um 09:18 Uhr steht die Richterin auf und alle verlassen den Raum. Die Klägerin steht neben ihrem Anwalt und lächelt die an ihr vorbeigehenden Zuschauer an: »Danke für das Kommen und die Unterstützung.«
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1 Kommentar(e)
Liebe Kreuzer-Redaktion, danke für den interessanten Beitrag. Allerdings enthält er ein paar inhaltliche Fehler bzw. Unsauberkeiten: 1. In Sachsen gibt es bei den Oberbürger- oder Landratswahlen keine Stichwahl sondern einen zweiten Wahlgang! Der Unterschied ist, dass bei einer Stichwahl nur die beiden stärksten Kandidat*innen wieder antreten dürften. Das ist in Sachsen allerdings nicht so. Im zweiten Wahlgang treten alle Kandidat*innen wieder an sofern sie nicht ihren Rücktritt als Kandidat*in für den zweiten Wahlgang erklären (unabhängig davon für wie sinnvoll man diese Reglung halten mag). 2. Daraus folgt, dass auch Schreiber am 13. April im zweiten Wahlgang wieder antritt. Dass er als Kandidat zurück tritt, davon ist eher nicht auszugehen. 3. Max Schreiber als 'Politiker' zu bezeichnen ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Lokalpolitiker oder Kommunalpolitiker wäre wohl treffender wobei selbst das für diese Person wohl schon zu viel der Ehre ist. 4. Schreiber dürfte nach wie vor Mitglied der NPD bzw. jetzt der im Kern identischen Partei 'Die Heimat' sein. Die Freien Sachsen sind eine Sammlungspartei, die explizit alle aufnimmt, die auch schon Mitglied in anderen Parteien/Organisationen sind und diese anderen Parteien tolerieren dies weitgehend. Ein starker Kern der Freien Sachsen besteht ja eben aus Kadern der NPD/Die Heimat. 5. Max Schreiber, sein Bruder und andere Nazis haben Reporter*innen in Dresden-Laubegast nicht nur 'beleidigt' und 'bedroht'. Sie haben sie auch über mehrere Straßenzüge verfolgt und sind sind sie dabei wiederholt angegangen (strafbar als Nötigung).