»Sie hat ihn wirklich aufgegessen, den Achill, vor Liebe«, schrieb, anscheinend selbst erstaunt über den Ausgang seiner »Penthesilea«, Heinrich von Kleist 1807 in einem Brief an seine Cousine Marie. Das Schicksal der von Leidenschaften entfesselten Amazon
»Sie hat ihn wirklich aufgegessen, den Achill, vor Liebe«, schrieb, anscheinend selbst erstaunt über den Ausgang seiner »Penthesilea«, Heinrich von Kleist 1807 in einem Brief an seine Cousine Marie. Das Schicksal der von Leidenschaften entfesselten Amazonenkönigin traf seinerzeit bei den Theatern auf Ablehnung und Unverständnis. Erst knapp 70 Jahre später, am 25. April 1876, wurde die »Penthesilea« in Berlin uraufgeführt.
Die Amazonen sind ein Volk von Frauen, die sich nur zur Reproduktion mit Männern abgeben. Im Gegensatz zu den griechischen Ursprungsmythen verliebt sich bei Kleist aber die Königin der Amazonen in Achill – anders als bei Homer ist dieser hier nicht nur Held, sondern einer von vier Griechenkönigen. Das von Rache an der Männerwelt getriebene Volk der Amazonen duldet keine individuellen Gefühle und schon gar nicht die Liebe zu einem Mann. Penthesilea darf nicht gleichzeitig Amazone und Frau sein – und das, obwohl Achill auch sie begehrt.
Und so kommt es, wie es kommen muss: Penthesileas unterdrückte Leidenschaften lassen die Amazonenkönigin im Rausch den heiß geliebten Mann töten und von seinem Blut trinken. Aus der Ekstase wieder erwacht, tötet Penthesilea sich selbst.
Eine solche Handlung in Bildern darzustellen, schien Kleist unmöglich, und so wird Penthesileas Schicksal – getreu der antiken Aufführungstechnik – größtenteils mithilfe von Botenberichten erzählt. Unter anderem diese Tatsache hat der Tragödie immer wieder den Vorwurf der Unspielbarkeit eingebracht.
In jüngster Zeit erfreut sich Kleists Stück zunehmend des Interesses der Theatermacher, vermutlich aufgrund seiner erstaunlichen Modernität: Die Forderung nach (nicht nur weiblicher) Selbstbestimmung ist ein zentrales Thema der »Penthesilea«. Anknüpfungspunkte hierzu finden sich auch in der aktuellen öffentlichen Debatte über den »gläsernen Bürger«.
Neben Volker Lösch inszenierte in diesem Jahr bereits Luk Perceval Kleists Stück an der Schaubühne am Lehniner Platz (Berlin). Sogar zur Opernfassung brachten es die Amazonen: Ebenfalls im Februar feierte die Oper des schweizerischen Komponisten Othmar Schoeck, inszeniert von Günter Krämer, in Dresden Premiere.