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Stadtleben

Gemüse aus Lindenau

In der Lützner Straße gibt es wieder eine urbane Landwirtschaft

  Gemüse aus Lindenau | In der Lützner Straße gibt es wieder eine urbane Landwirtschaft  Foto: Zurück auf der Lützner Straße: Philipp Scharf/Marcus Korzer

Seit rund 150 Jahren hat Lindenau an dieser Stelle eine Gärtnerei: Auf dem Gelände zwischen Lützner und Demmeringstraße befand sich über mehrere Generationen hinweg der Familienbetrieb der Gärtnerei Toepel, den 2013 die Annalinde übernahm. Dieser gemeinnützige Gartenbetrieb mit Bildungsangeboten, Forschung und Stadtentwicklungsprojekten ist seit letztem Jahr Geschichte (siehe kreuzer 8/2024). Nun führt die Gärtnerei Scharf die Tradition des Standorts fort. Ihren Namen hat sie vom neuen Pächter des Geländes, Philipp Scharf. Der ist Gartenbauingenieur und hat dereinst die Annalinde mitbegründet.

Vor drei Jahren stieg Scharf aus der Annalinde aus, arbeitete anschließend als Fachberater für landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten bei Agil, der sächsischen Agentur für regionale Lebensmittel. Diese hat das grüne Landwirtschaftsministerium eingerichtet. Die Agentur kümmert sich um die Vernetzung von Erzeugern, Verarbeitung und Handel in der Land- und Ernährungswirtschaft. Außerdem informiert und berät Agil Unternehmen zum Aufbau und Ausbau von regionalen Wertschöpfungsketten in der Lebensmittelbranche sowie zur Stärkung der regionalen Vermarktung. »Durch die Beratertätigkeit habe ich einen anderen Blick in die Branche erhalten und konnte meinen Horizont erweitern«, sagt Scharf. Gleichzeitig bekam er Lust, selbst wieder in die Praxis zu gehen. Als seine Stelle bei Agil auslief, stand ohnehin die Frage im Raum, wie es weitergehen sollte, wie er sein Wissen und seine Erfahrungen einsetzen und gleichzeitig etwas aufbauen kann. »Bei vielen Agil-Veranstaltungen war die Rede davon, dass es junge Leute braucht, die in der Landwirtschaft oder im Gartenbau Unternehmen gründen und ausbilden.« Davon fühlte sich Scharf angesprochen – mit seinen beruflichen Erfahrungen und seiner Ausbildereignung. Und durch seine Tätigkeit in der Prüfungskommission für Gärtnerinnen und Gärtner im Gemüsebau weiß er ebenfalls, dass Ausbildungsbetriebe und Nachwuchs wichtig sind, um diesen Beruf zu erhalten. Die Pläne, einen Gemüsebaubetrieb zu gründen, waren also da, ein Gründungscoaching hat er auch absolviert. Scharf fragte schließlich beim Verpächter der Gärtnerei-Fläche in Lindenau nach, ob er sich ihn als neuen Pächter vorstellen könne, als landwirtschaftlicher Einzelunternehmer, unter neuem Namen und mit neuem Konzept. Der konnte sich das vorstellen, man wurde sich einig: »Und jetzt bin ich wieder hier an dem Ort, an dem ich schon einmal zehn Jahre lang gearbeitet habe.«

Diese Rückkehr hatte Scharf kategorisch ausgeschlossen, eigentlich. Gleichzeitig hat er sein Wissen aus dem Gründungscoaching genutzt und ausgerechnet, ob es überhaupt möglich ist, als landwirtschaftlicher Einzelunternehmer auf der vergleichsweise kleinen Fläche gut über die Runden zu kommen. Das Ergebnis versprach eine Perspektive. »Diese Fläche wird ein grüner Ort in der Stadt bleiben, sie bleibt ein Gemüsebaubetrieb und eine urbane Landwirtschaft«, fasst Scharf sein Vorhaben zusammen.

Ab Juni startet die Vermarktung, dann bietet die Gärtnerei eine Gemüsekiste im Abo zur Abholung an – für die es bereits eine kleine Warteliste gibt. Scharf plant einen Hofladen und er wird die Gastronomie im Umkreis beliefern. Für einen Jungpflanzenverkauf in diesem Jahr fehlt der Vorlauf, den wird es erst im nächsten Jahr geben. »Dieses Jahr widmen wir uns noch der Neustrukturierung, renovieren und stellen die Technik um und schaffen Stück für Stück die Grundlagen dafür, dass der Betrieb gut funktioniert.« Unter anderem wird das Bewässerungskonzept verändert, die Abläufe werden mehr automatisiert, digitalisiert und standardisiert – auch für größeren Komfort bei der Kundschaft. Den Acker und die Gewächshäuser bearbeiten Scharf und eine weitere gärtnerische Fachkraft. Der Betrieb wird derzeit biozertifiziert und kann die Jungpflanzen im nächsten Jahr auch schon in Bioqualität verkaufen. Ab September ist es möglich, in der Gärtnerei ein freiwilliges ökologisches Jahr zu absolvieren, Scharf will außerdem einen Ausbildungsplatz schaffen. 

> Gärtnerei Scharf, Lützner Str. 108, 04177 (Altlindenau), post[at]gaertnereischarf.de, www.gaertnereischarf.de


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