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Kultur

»Wir üben nie«

Get Well Soon alias Konstantin Gropper über Perfektion, gut gemeinte Ratschläge und das Leben drum herum

  »Wir üben nie« | Get Well Soon alias Konstantin Gropper über Perfektion, gut gemeinte Ratschläge und das Leben drum herum

Seitdem Get Well Soon im Februar dieses Jahres ihr gefeiertes Album »Rest now, weary head, you will get well soon« herausbrachten, sind sie gefühltermaßen ununterbrochen auf Tour. An einem Montagmittag befinden sie sich gerade in einer Seitenstraße von Brüssel.

Seitdem Get Well Soon im Februar dieses Jahres ihr gefeiertes Album »Rest now, weary head, you will get well soon« herausbrachten, sind sie gefühltermaßen ununterbrochen auf Tour. An einem Montagmittag befinden sie sich gerade in einer Seitenstraße von Brüssel. Der Tourmanager klingt verschlafen, Sänger, Songschreiber und »Get Well Soon« in Person Konstantin Gropper dagegen ganz fit.

kreuzer online: Ihr tourt jetzt fast ein ganzes Jahr. Schlägt es nicht aufs Gemüt, jeden Tag schwermütige Lieder zu spielen?

KONSTANTIN GROPPER: Ich glaube nicht, dass die Band die Musik als so depressiv empfindet. Ich übrigens auch nicht. Ich würde sie eher als kraftvoll bezeichnen.

kreuzer online: Aber es geht ja schon viel um Tod, Selbstmord oder Inquisition. Sind das Themen, die dich bewegen oder woher kommen die Ideen zu deinen Songs?

GROPPER: Es gibt eine Grundidee, die ich dann persönlich weiterdenke. Das kann aus einem Film, einen Buch, auch von einem Straßenschild sein oder von sonst einer Situation herrühren. Klar ist da auch immer ein Bezug zu mir selbst, aber das sind keine Geschichten aus meinem Leben.

kreuzer online: Das beruhigt mich. Wenn ich »If this hat is missing I’ve been hunting« höre, würde ich dich am liebsten anrufen und sagen: »Komm, wir gehen uns umbringen.« Wie reagieren denn die Fans?

GROPPER: So was kam noch nicht. Aber ich glaube, die Leute empfinden die Musik auch gar nicht als so düster. Die bedanken sich vielmehr und sagen, die Musik hilft ihnen.

kreuzer online: Okay. Sätze wie »Rest now weary head, you will get well soon.« haben mir auch geholfen.

GROPPER: Die Lieder sind ja auch eher so gemeint. Es gibt zwei Strategien: Entweder man kehrt sich von allem ab, was schlecht ist, oder man stellt es dar. Das ist aber vielleicht genau so eine Hilfe wie verschweigen.

kreuzer online: Ein Freund von mir meinte mal, eure Musik sei ihm zu perfekt. Was durchaus nachvollziehbar ist …

GROPPER: Das sagen die Leute öfter, was mich wirklich wundert, denn eigentlich üben wir nie. Vielleicht liegt es daran, dass das Album fertig war, als die Band dazu kam und die das nur noch nachspielen mussten. Mit Perfektion hat das alles nicht viel zu tun.

kreuzer online: Eine spontane Perfektion?

GROPPER: Nein, spontan ist das nicht. Das ist schon alles durchdacht. Ich würde das aber nicht als perfekt bezeichnen. Von spontan halte ich zwar auch nicht viel, aber so ist halt meine Herangehensweise.

kreuzer online: Wird einem das an der Popakademie anerzogen?

GROPPER: Nein. Ich glaube, das Studium dort hat sich auf meine Musik überhaupt nicht ausgewirkt. Get Well Soon gab es auch schon vorher und hatte auch die ganze Zeit nichts mit dem Studium zu tun. Das war schon immer ein Ding, das ich allein gemacht habe.

kreuzer online: Was bringt einem denn das Studium da?

GROPPER: Die bieten einem dort halt irgendwas an. Zum Beispiel ein erfolgerprobtes Konzept, das man dann für sich annimmt oder auch nicht. Gerade wenn es um Kreativität geht, halte ich persönlich überhaupt nichts von Ratschlägen. In dem Studium geht es auch kam darum: Wie schreibe ich einen Song? Das wäre ja schrecklich. Es geht eher darum, wie man sein Leben drum herum organisiert.

kreuzer online: Und wie organisierst du dein Leben drum herum?

GROPPER: Gute Frage, ich habe ja gar kein Leben. (lacht) Nee, aber es geht da um Steuern, wie eine Plattenfirma funktioniert oder Theorie und Grundbasiswissen.

kreuzer online: Ein BWL-Studium für Musiker quasi?

GROPPER: Zur Hälfte ja, das ist ja leider in der Kulturindustrie so. Da ist ja die Hälfte BWL.

kreuzer online: Zum Glück bin ich kein Musiker.

GROPPER: Oooh, das ist im Journalismus noch viel schlimmer.

kreuzer online: Das könnte stimmen. Daher werde ich jetzt mal mein Leben drum herum organisieren.

GROPPER: Viel Erfolg dabei.

kreuzer online: Dir auch. Und vielen Dank.

Pünktlich zur Weihnachtszeit haben Get Well Soon neben dem schon erwähnten Superalbum gerade ihre EP »Songs against Glaciation« herausgebracht, auf der sich auch der viel sagende Titel »Listen! Those Lost At Sea Sing A Song On Christmas Day« befindet. Außerdem steuerte Kontantin Gropper zwei Songs für Soundtrack des neuen Wim Wenders Film »Palermo Shooting« bei, der weitaus besser sein soll als der Film an sich.


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