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Nur keine Eile!

Neues Sächsisches Hochschulgesetz tritt mit einem Jahr Verspätung in Kraft

  Nur keine Eile! | Neues Sächsisches Hochschulgesetz tritt mit einem Jahr Verspätung in Kraft

Seit 01.01.2009 weht an den Universitäten und Hochschulen in Sachsen ein neuer Strukturwind: Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Autonomie statt ministerialer Vorherrschaft sollen Rektorat, Senat und Hochschulrat im Dreiklang umsetzen.

Autonom, also selbstbestimmt, wird in Zukunft vor allen Dingen der Hochschulrat handeln. Frei von jeglicher Kontrolle verfügt er nicht nur über die Drittmitteleinwerbung, er genehmigt Wirtschafts- und Entwicklungspläne und sorgt für die Wettbewerbsfähigkeit einer Uni. Zwar relativiert eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung seine Bedeutung, aber de facto wurde hier ein Gremium geschaffen, das alle Organe – vom Rektor bis zur Fakultätsebene kontrolliert und notfalls das Ministerium einschaltet. Der Hochschulrat selbst ist nicht zur Rechenschaft verpflicht.

Autonomie und Selbstverwaltung ist also Auslegungssache. Auch der gerade aus dem Amt zurückgetretene Sprecher der KSS (Konferenz Sächsischer Studierendenschaften) Gerald Eisenblätter erklärt am Ende des Aushandlungsprozedere enttäuscht: „Wir haben sicherlich viele kleine Punkte im Gesetz platzieren können und auch kleine Erfolge für uns verbucht, allerdings sind die Kernforderungen nicht umgesetzt worden.“. Und die zielten auf die Stärkung der Mitbestimmung. Nicht einmal die Wahl des Rektors findet in einer Person und Amt legitimierenden Urwahl statt. Auch hier mischt der Hochschulrat mit, wenn er dem Senat einen Kandidaten vorschlägt, den dieser annehmen oder ablehnen kann.

„Funktionärswahl“ nennt Leipzigs Studiendekan Pirmin Stekeler-Weithofer diese gesetzlich abgesegnete Vorgehensweise. Außerdem bezweifelt er, dass die Leitungsstruktur mit einem zwar mächtigen, aber schnell wieder abwählbaren und schwer zu wählenden Rektor tatsächlich eine effiziente Führung bedeutet: „Die Festschreibung eines Rektorensystems mit einem Kanzler als vom Ministerium eingesetzter oberster Chef der Verwaltung ist dagegen, ob man es wahr haben will oder nicht, am Ende die Fortschreibung der Kameralistik des 19. Jahrhunderts. Sie ist mit dem Grundgedanken moderner Hochschulautonomie nicht vereinbar. In der Doppelspitze blockieren sich Rektor und Kanzler ja auch oft genug. Und es wird schlimmer werden.“.

Die akademischen Interessen werden stärker als zuvor den Verwaltungsinteressen diametral gegenüber stehen. Wer hier die Handlungshoheit besitzt, ist klar und fürs Erste unabänderlich in Richtung Kanzler und Hochschulrat festgeschrieben – eine Erprobungsklausel gibt es nicht. Wie sich der Umsetzungsprozess an der Uni Leipzig vollziehen wird, ist noch ungewiss. Auch die telefonische Recherche ist bislang erfolglos geblieben: Ein erkrankter Pressesprecher und ein Rektor im Urlaub – niemand scheint es eilig zu haben, die neuen Gesetzesbeschlüsse in die Tat umzusetzen.


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