anzeige
anzeige
Archiv

Mystery-Box Borneo

Mit dem <em>kreuzer</em> auf die sieben Weltmeere – Der neue Blog auf <em>kreuzer</em> online (Teil 7)

  Mystery-Box Borneo | Mit dem <em>kreuzer</em> auf die sieben Weltmeere – Der neue Blog auf <em>kreuzer</em> online (Teil 7)

Unsere »kreuzer-Auslandskorrespondentin« Ele Jansen hat sich auf große Fahrt begeben und berichtet in einem exklusiven Reise-Blog über ihre Erlebnisse vor Ort. Die mysteriösen Tiefen Borneos versprechen Urwald, Riesenreptilien und den höchsten Gipfel Südostasiens.

Unsere »kreuzer-Auslandskorrespondentin« Ele Jansen hat sich auf große Fahrt begeben und berichtet in einem exklusiven Reise-Blog über ihre Erlebnisse vor Ort. Die mysteriösen Tiefen Borneos versprechen Urwald, Riesenreptilien und den höchsten Gipfel Südostasiens.

»Mystery«, »danger« und »excitement« sind die Attribute, mit denen Novellist Eric Hansen Borneo beschreibt. Vielleicht wurde die nahe gelegene Insel »Pulau Tiga« auch deswegen für eine dieser Hilfe-ich-bin-im-Dschungel-Sendungen gewählt. Tatsächlich bezieht der malaysische Teil der drittgrößten Insel der Welt einen beachtlichen Teil seiner Devisen aus dem Abenteuer-Tourismus. Die meisten – so auch ich – kommen hier her, um die schwer zugänglichen Urwälder oder die mysteriöse Kultur der eingeborenen Völker zu erleben.

Borneo ist aufgeteilt zwischen Indonesien, Brunei und Malaysia; letztere liegen im Norden. Meine erste Destination ist der nordwestliche Bundesstaat Sarawak. Ich erreiche die Hauptstadt Kuching gegen Abend, als die Schwarzen Zikaden um Punkt sechs Uhr den Anbruch der Dunkelheit ankündigen. Es sind kaum andere Touristen da, und ich entscheide mich am nächsten Morgen gleich zum Bako-Nationalpark zu fahren, einem der Orte, an denen man »Proboscis Monkeys« zu sehen bekommt. »Proboscis« bedeutet »Rüssel« und beschreibt die Nase dieser Primatenart ziemlich gut. Er ist definitiv nicht das ansehnlichste Wesen des Tierreichs, aber er lebt ausschließlich auf Borneo, was mich zu meiner kleinen Safari veranlasst.

Nachdem ich den öffentlichen Bus um sieben Uhr in der Frühe erwischt habe, geht es in dem altersschwachen Gefährt zum Fischerdorf mit dem »Jetty«. An dem kleinen Fähranleger warte ich auf weitere Passagiere, kurz darauf schießen wir über das südchinesische Meer in Richtung Bako-Halbinsel. Das Salz in der Luft und die Geschwindigkeit bringen mich zum Lachen. Meinetwegen könnte es ewig so weitergehen. Aber schon nach einer halben Stunde auf dem Wasser erreichen wir das Ufer. Es ist Flut, so dass wir keine 300 Meter durch Watt und Mangroven an den Strand wandern müssen. Schade eigentlich, das hätte mir gefallen.

Gleich am Anleger sehe ich schon einen der berühmten Affen und mache fleißig Fotos. Das war eine gute Idee, denn es sollte der Einzige bleiben, den ich zu Gesicht bekomme. Dafür zeigen sich auf meiner sechsstündigen Wanderung durch sieben verschiedene Urwaldtypen zahlreiche andere Pflanzen und Tiere. Neben verschiedenen fleischfressenden Pflanzen und wilden Orchideen, gibt es fliegende Lemuren und wilde Schweine, die ich besonders entzückend finde. Es sind nicht viele Leute im Nationalpark, aber ich treffe einen Briten, dessen Sohn als Geheimagent beim britischen Secret Service »MI-6« arbeitet (mehr darf ich hier aus Gründen der internationalen »Hochsicherheit« nicht erzählen ...). Und ein Schwede erzählt mir, dass Makaken seine Unterkunft gestürmt und sein Penicillin getrunken hätten, woraufhin der Wildhüter einen der Affen eingefangen und ihm dem Magen ausgepumpt habe. Während ich zuhöre, verpasse ich bestimmt diverse Vögel und andere Tiere um mich herum, aber irgendwie finde ich die Menschen mal wieder spannender als die Natur.

Ich denke darüber nach, über Nacht im Nationalpark zu bleiben, entscheide mich aber doch für den Rückweg nach Kuching, weil dort eine chinesische Parade angesagt ist, die nur alle paar Jahrzehnte vorkommt und dementsprechend pompös sein soll. Zurück am »Jetty« kündigen die Schwarzen Zikaden wieder die Abendstunden an. Ich sitze glücklich und erschöpft am Steg und sehe mich an den tausenden kleinen Lichtern der »Fireflies« satt. Mit mir verlassen die letzten Gäste das unbesiedelte Grün, besteigen das Boot und fahren ihrer Dusche und einem ersehnten Abendessen entgegen.

Meinen Abend verbringe ich netterweise mit meinem Hostel-Manager, weil es ihm so leid tut, dass immer noch keine anderen Gäste da sind, die mir Gesellschaft leisten könnten. Er stellt mir seine Freunde vor, und so kommt es, dass ich die nächsten Tage mit Leuten aus Kuching verbringe, die teils ihre Kindheit in den berühmten »Longhouses« im Dschungel Zentralborneos verbracht haben. Berüchtigt sind die dort lebenden Völker vor allem wegen ihrer »Headhunter«, die ihre Tradition, »Köpfe« zu sammeln, noch bis ins 20. Jahrhundert gepflegt haben. Dabei war das Ritual des Kopfjagens nicht unbedingt ein kriegerischer Akt, sondern diente der Ehre und Machtbezeugung. Bis auf einige Ausnahmen, wird die Praxis seit Ende der Kolonialzeit nicht mehr betrieben. Aber in Kuching finden sich zahlreiche Tattoo- und Souvenirshops, die mit dem Mythos werben.

Chris, den ich während der Chinaparade kennen gelernt habe, ist einer der ehemaligen Longhouse-Bewohner und ein Iban (er benutzt den Namen, da ich und viele andere seinen Iban-Namen angeblich nicht aussprechen könnten). Früher hat er Urwald-Touren begleitet. Von ihm erfahre ich, dass es in Sarawak über eine Millionen Mitglieder der einst kriegerischen Iban gibt. Weitere Stämme sind beispielsweise die »Bidayuh«, die »Penan«, die »Orang Ulu« und die »Melanau«.

Lange hatte ich hin und her überlegt, ob ich flussaufwärts zu einem der Longhouses fahre. Meine Zweifel wurden durch meine Gespräche mit Chris bestärkt. Seiner Meinung nach erwarten viele Touristen bei den Stämmen eine anachronistische Dorfidylle, in die sie 24 Stunden einbezogen werden. Oft seien die Besucher dann überrascht, wenn sie sehen, dass die meisten Stämme Elektrizität haben und die Kinder lupenreine, gestärkte Schuluniformen tragen. Wenn auch längst nicht alle, so leben doch immer mehr Longhouse-Gemeinden von Übernachtungsgästen, mit denen sie jeden Abend traditionelle Reisweinfeste zelebrieren. Laut Chris sehen viele Jungendliche dort deswegen keine Zukunft mehr, da der traditionelle Landbau dem leichter verdienten Geld mit dem Tourismus weiche. Das meist nur mündlich überlieferte Wissen der Stämme drohe dabei verlorenzugehen. Die Malaysier seien sich dieses Kulturverlustes allerdings bewusst und versuchten, das traditionelle Wissen der eingeborenen Stämme zu dokumentieren und systematisch an die junge Generation weiterzugeben. Bisher habe das »Sarawak Biodiverstiy Centre« zwölf Gemeinden an 28 Orten im Urwald erreicht – das sei eine gute Entwicklung, sagt Chris. Gleichzeitig den Tourismus einzuschränken, stehe jedoch nicht zur Debatte.

Neben den allgegenwärtigen Iban gibt es zwar viele weitere Stämme auf Borneo, aber ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung liegt lediglich bei knapp sechs Prozent. Eine weitaus größere Gruppe bilden die Chinesen, was mir beim Anblick Kuchings auch gleich aufgefallen war. Dort hatte ich das Gefühl, in China zu sein. Hauptsächlich wegen der Tempel, Gebäude und Chinarestaurants und weniger wegen der chinesischen Parade, die ich mir angesehen hatte. Tatsächlich haben die »White Rajahs« bis ins 20. Jahrhundert hinein eine Wirtschaftspolitik verfolgt, die Chinesen als »geschäftstüchtige Händler« ins Land geholt hat. Die Malaysier hingegen wurden kaum ermuntert, etwas anderes als Landwirtschaft zu betreiben. Dieser gesellschaftliche Unterschied besteht bis heute. Tja, wir sind ja auch am Südchinesischen Meer.

Nach einer Woche in Sarawak mache ich mich auf in Richtung Kota Kinabalu. Kuching und Umgebung waren schön, aber um Borneo mysteriös zu finden, muss man wohl tiefer ins Dickicht vordringen. Das steht für meine nächste Etappe im nordöstlichen Bundesstaat Sabah auf dem Plan. Ele Jansen

Bildergalerie zu dieser Folge hier. Karte mit Routenverlauf und Etappenbeschreibungen hier.


Kommentieren


0 Kommentar(e)