»La donna è mobile« – »Gotta rescue me, rescue me« – »Dies irae, dies illa« – »And nothing else matters«: Laut und schroff wird der Sound der Ursprünglichen gegen den der Zeitgeister geschnitten. Musik, der sonst die Kraft des Einenden innewohnt, gerinnt in »Altbau in zentraler Lage« zur trennenden Macht. Als universelle Sprache ist sie verloren.
Verständigung ist das Motiv im Stück von Raphaela Bardutzky, dessen Uraufführung Salome Schneebeli in der Diskothek des Schauspiels inszeniert. Wenn das Diktum von der Sprache als »Haus des Seins« (Martin Heidegger) zutrifft, dann ist es konsequent, dieses Motiv mit dem gruseligen Mietenthema zu verknüpfen.
Knarzend dreht sich der Kubus auf schwarzer Bühne. Das ermöglicht dem Publikum schon beim Eintreten den Blick in drei Räume: eine U-Bahn-Station, eine Schlafstatt, ein Wohnzimmer. Der Altbau ist verkehrstechnisch gut angebunden. Er soll saniert werden, weshalb die meisten schon ausgezogen sind. Zwei Frauen harren hier aus, kennen sich aber nicht. Bis die Nachtclub-Mitarbeiterin Zoe von Gespenstern attackiert wird, sich mit harten Technobeats gegen diese wehrt und durch die Vibrationen den Nachtschlaf ihrer Nachbarin Trisha stört. Die ist Konditorin und aufgrund ihrer Gehörlosigkeit irgendwie immun gegen die Geister.
Bald freunden sich beide Frauen an, geeint im Kampf gegen die entmietende Hausverwaltung und die unheimlichen Heimsuchungen durch »die Ursprünglichen«. Das sind untote Mieter, die im 19. Jahrhundert aus dem Haus geworfen worden sind. Nun wollen sie die spätere Generation vertreiben, die ihre Schicksalsgenossinnen sein könnten.
Im Kern der für nichthörendes und hörendes Publikum konzipierten Inszenierung steht die Kommunikation zwischen Zoe und Trisha und ihre zunehmende Verständigung. Das ist geschickt gelöst, auch für das zum Teil nichthörende Publikum. Mal schreiben sich die beiden Frauen Zettel, deren Botschaften über der Bühne eingeblendet werden. Trisha bringt Zoe Gebärdensprache bei, diese begleitet ihre Gesten verbal. Einer der Geister dolmetscht in Gebärde, manchmal wird er als Projektion auf Bildschirmen gezeigt. Das Ziel, eine zweisprachige Inszenierung ohne allzu pädagogischen Ballast zu stemmen, gelingt. Das liegt sicherlich auch daran, dass Autorin Bardutzky die Dialogszenen zusammen mit der gehörlosen Schauspielerin Athena Lange erarbeitete, die auch die Trisha gibt.
Athena Lange wirkt in ihrem ruhigen Gestus und geduldigen Spiel wie die Antipodin zur ultranervösen Zoe von Paula Winterler. Die ist immer etwas drüber, sie schreit, zuckt zusammen, reißt Mund und Augen auf. Das Zusammenspiel beider funktioniert gut, der Prozess der Verständigung wird deutlich. Besonders die Zoe-Figur ist mimisch und gestisch am Stummfilm geschult. An Filmaussetzer und altes Zelluloid erinnern auch die körnig-grieseligen Projektionen auf die Flächen der Drehbühne. Anfangs ist das effektvoll – aber auch wenig originell, wirkt wie der erste Einfall. Warum ausgerechnet auf Stummfilm zurückgreifen, wenn es um Gehörlosigkeit geht? Gerade das cineastische Fach bietet schließlich viele visuelle Ausdrucksmöglichkeiten, die Verbales ersetzen.
Sicherlich musste die inhaltlich dünne Handlung – eine Auseinandersetzung mit dem Thema Mietwohnraum jenseits des Fingerzeigs auf eine gierige Immobilien-Firma bleibt aus – bildgewaltig übertüncht werden. Das gelingt schauspielerisch gut, gerade durch die Interventionen des Geistertrios. Dessen Kostüme sind trashige Versionen klassischer Balletttänzer mit Touch von Varieté. Dem entspricht ihre Bewegungssprache, während aus den Gesichtern Horrorclowns sprechen. Mit ihrem fortwährenden Einschleichen – Zoe und Trisha können sie nicht sehen – schaffen die Heimsuchenden eine leicht gruselige Atmosphäre des Unbehausten.
Weshalb sie ihren Tag der Rache mit Wagners »Walkürenritt«, mit Bach, Mozart und Verdi antreten, erschließt sich aber nicht. Nur, dass man die bekannten Klassiker eben gegen Pop-Perlen von Bell, Book & Candle, Metallica und Blondie schneiden kann. »Rescue me«! Solch gefälliger Zugriff verleiht der selbsterklärten »Schaueroper« einen Hauch von Mitwipp-Theater. Die dramaturgische Schwäche rächt sich, weil sie den schönen Ansatz der Zweisprachigkeit verflacht.
> »Altbau in zentraler Lage«: 5.1., 20 Uhr, Diskothek, weitere Termine in Planung