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Politik

CDU Leipzig, das bockige Kind

Der Kreisverband der Konservativen verbreitet Falschnachrichten – und wehrt Kritik daran ab. Ein Kommentar

  CDU Leipzig, das bockige Kind | Der Kreisverband der Konservativen verbreitet Falschnachrichten – und wehrt Kritik daran ab. Ein Kommentar  Foto: Screenshot CDU Leipzig

Dass die viel beschworene Brandmauer der CDU inzwischen oft nur noch ein Seidenvorhang ist, hat sich in den letzten Wochen deutlich gezeigt. Nun reißt die Leipziger CDU die nächste Abtrennung nach Rechtsaußen ein und verbreitet Falschaussagen der Bildzeitung und des Nachrichtenportals Nius. Anfang der Woche verbreiteten beide Medien Artikel, in denen sie behaupteten, dass die bundesweiten Demonstrationen gegen den Rechtsruck von der Regierung bezahlt seien. Die CDU Leipzig teilte kurz darauf auf ihrem Instagram-Profil einen Screenshot der Bildschlagzeile, darüber der Schriftzug »Demos gegen CDU mit Steuergeldern finanziert«. Daneben mehrere Absätze des Bildartikels, die nicht als solche gekennzeichnet sind. Der einzige Absatz, der selbst von der CDU stammt, lautet: »Während solche Vereine Millionen erhalten, fehlt es an Mitteln für soziale Einrichtungen, die in unserer Stadt wirklich wichtige Arbeit leisten.«

Herausgegriffen werden drei Organisationen: Zum einen erhalte der Kampagnenverein Campact Steuergelder über die Organisation HateAid. Gegen diese Fehlinformation von Nius ging der Verein bereits im letzten Herbst gerichtlich vor und bekam Recht. Im Transparenzbericht ist ebenfalls nachlesbar, dass Campact sich ausschließlich aus Spenden finanziert.

Zweitens geht es um die Omas gegen Rechts. Diese haben in den vergangenen Jahren 5000 Euro aus dem Bundeskanzleramt bekommen, um in Buxtehude das Projekt »Stark gegen Rassismus« durchzuführen. Daneben bekamen einzelne Regionalgruppen seit 2022 insgesamt 18.294,22 Euro aus dem Bundesfamilienministerium. Allerdings wurde von keiner dieser Regionalgruppen in den vergangenen Wochen eine Demonstration angemeldet.

Als Drittes wird der BUND bezichtigt, Steuergelder für Demonstrationen zu nutzen: Rund zwei Millionen Euro habe der Umweltverband aus dem Wirtschaftsministerium bekommen. Woher diese Zahlen kommen, ist unklar. Der BUND selbst listet lediglich allgemein Einnahmen aus Drittmitteln in seinem Jahresbericht auf. In einer Stellungnahme bekräftigt der Verein nochmal, dass die Beteiligungen an Demonstrationen nicht über Steuergelder finanziert wurden. Mit 70 Prozent finanziert sich der BUND über Mitgliedsbeiträge und Spenden.

Soweit die Fakten. Für die scheint sich die CDU Leipzig aber nicht zu interessieren. Auf Nachfrage in der Kreisgeschäftsstelle, woher die Zahlen kommen und weshalb diese Aussagen ungekennzeichnet im Internet verbreitet werden, sagt ein Mitarbeiter am Telefon, dass andere journalistische Quellen zu anderen Ergebnissen kommen würden und die Vorwürfe subjektiv seien. Andere Quellen nannte die CDU auch auf Nachfrage per E-Mail nicht. Auch die Fragen, warum sie die Aussagen der Bild ungeprüft übernehme und welches Ziel der Post verfolgt, beantwortete die CDU nicht.

Das Fairnessabkommen für den Wahlkampf, das noch vor Weihnachten von allen großen Parteien unterzeichnet wurde – scheinbar hinfällig. Der CDU-Direktkandidat für den Leipziger Süden, Dietmar Link, springt ebenfalls auf den Zug auf und postet die Bildschlagzeile mit der Caption »In diesen Zeiten wird deutlich, wer die wahren Feinde der Demokratie sind.
Einschüchterung, Meinungsunterdrückung und ideologische Spaltung haben nichts mit demokratischen Werten zu tun. Mit mir kann man immer reden – denn ich und die CDU stehen für Demokratie, Meinungsfreiheit und den fairen Austausch von Argumenten.« Auch er antwortete nicht auf die Fragen, warum er Falschnachrichten verbreite und wen er mit den »wahren« Feinden der Demokratie meine. Meinungsfreiheit und fairer Austausch von Argumenten scheinen nur dann in Ordnung zu sein, wenn sie der CDU zugutekommen. Ebenso versucht die CDU, Betroffenheit zu erwecken, indem sie behauptet, dass »Millionen« an die genannten Vereine gingen – und damit sozialen Einrichtungen nicht zur Verfügung stünden. Nur wurden weder Millionen gezahlt, noch würde das Geld unmittelbar an soziale Einrichtungen in Leipzig gehen. Das weiß die CDU. Aber lieber wird verkürzt, vereinfacht, verfälscht.

Die Aktionen der CDU Leipzig wirken wie die eines bockigen Kindes. Wer gemein zu mir ist, zu dem bin ich gemein. Aber hier geht es nicht um einen Fünfjährigen in der Autonomiephase. Hier geht es um die derzeit umfragenstärkste Partei Deutschlands, die gute Chancen hat, den nächsten Kanzler zu stellen. Wenn diese Partei nun öffentlich klarstellt, dass ihr Fakten nicht mehr wichtig sind und sie in Demonstrationen lieber Verschwörungen sieht als Kritik an ihrem Handeln, dann sind wir vollends im postfaktischen Zeitalter angekommen, das die populistische und extreme Rechte seit Jahren forciert. Und dann trennt die CDU wirklich nichts mehr von der AfD. Aber darauf wird sie vermutlich nur beleidigt einen Schmollmund ziehen. 


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