»Die Verwandlung« gilt heute als eine der berühmtesten Novellen der Weltliteratur. Franz Kafkas Erzählung vom sich langsam zum Käfer entwickelnden Gregor Samsa, der dem Druck als alleiniger Ernährer einer vierköpfigen Familie nicht mehr gewachsen ist und schließlich an den ablehnenden Reaktionen seiner Umwelt stirbt – kaum ein Werk Kafkas wurde so oft interpretiert und teilweise eins zu eins auf die Lebensgeschichte des Autors übertragen.
»Die Verwandlung« gilt heute als eine der berühmtesten Novellen der Weltliteratur. Franz Kafkas Erzählung vom sich langsam zum Käfer entwickelnden Gregor Samsa, der dem Druck als alleiniger Ernährer einer vierköpfigen Familie nicht mehr gewachsen ist und schließlich an den ablehnenden Reaktionen seiner Umwelt stirbt – kaum ein Werk Kafkas wurde so oft interpretiert und teilweise eins zu eins auf die Lebensgeschichte des Autors übertragen.
Mit dem Stück »Kafkas Verwandlung – Neuartige Sichten aus der Körperperspektive« greift die Company des Leipziger Tanztheaters diese biografische Verbindung auf. Premiere war im vergangenen Oktober im Werk II. Damals waren alle Aufführungen ausverkauft, so dass sich das Tanztheater nun zur Wiederaufnahme entschloss.
Zu sehen gibt es keine rein inhaltliche Wiedergabe der »Verwandlung« – Choreografin Irina Pauls ging in ihrer Konzeption vielmehr einen Schritt zurück. 15 Szenen bieten dem Zuschauer die Möglichkeit, in die Gedankenwelt Kafkas einzutauchen und so den Entstehungsprozess der »Verwandlung« nachzuempfinden: Die Tänzer fungieren als Gedankengänge Kafkas, und so entstehen völlig neue Perspektiven auf Kafkas berühmtes Werk.
»Es ist ganz unklar, ob Kafka diese Geschichte macht oder ob diese Geschichte sein Leben macht«, hatte Irina Pauls vorher erklärt. »Das ist für mich der interessante Punkt – wo ist er der Schöpfer und wo ist er selbst die Metapher.« So beginnt das Stück mit einem eindrucksvollen Kennenlernen, ja geradezu einem Kampf, zwischen Samsa und Kafka, dargestellt von Ronny Hoffmann und Axel Schwemmer.
Ruhigere Sequenzen, die beispielsweise die Beziehung der Protagonisten zur Frauenfigur darstellen, werden durchbrochen von dynamisch-kraftvollen Tanzszenen. Die Company, aktuell bestehend aus 20 Laientänzern, zeigt einmal mehr, dass sie sich tänzerisch auf höchstem Niveau bewegt, sei es beim gefühlvollen Pas de deux oder im exakten Zusammenspiel der Bewegungen. Unterstützt von impulsiv-treibenden Elektrobeats unterstreichen sie den zunehmenden inneren Druck der beiden Hauptpersonen.
Gegen Ende des Abends wird die Struktur des Stückes assoziativer: Die klare Trennung von Company und Publikum löst sich, die Bar ist geöffnet, mit einem Weinglas in der Hand steht der Zuschauer plötzlich mitten im Geschehen, wirft mit Kafka Äpfel an Papierwände und kann selbst entscheiden, welche der parallel ablaufenden Gedankenspiele er näher verfolgen will – Aufstehen und Bewegen wird belohnt – mit neuen Perspektiven.