Thomas Thieme ist einer der besten Schauspieler, die Deutschland zu bieten hat. 1984 war für den Ostschauspieler die ›legale Ausreise‹ der einzige Ausweg aus dem DDR-Wahnsinn. Umjubelt spielt er sich seitdem durch die großen deutschen Theater und Filme. Trotz allem wechselt Thieme ganz gern mal die Fronten und führt selbst Regie.
Thomas Thieme ist einer der besten Schauspieler, die Deutschland zu bieten hat. 1984 war für den Ostschauspieler die 'legale Ausreise' der einzige Ausweg aus dem DDR-Wahnsinn. Umjubelt spielt er sich seitdem durch die großen deutschen Theater und Filme. Trotz allem wechselt Thieme ganz gern mal die Fronten und führt selbst Regie.
kreuzer: Herr Thieme, in Ihrer Inszenierung »Büchner/Leipzig/Revolte« soll der Bogen geschlagen werden von Georg Büchners revolutionären Schriften hin zur friedlichen Revolution 1989. Klingt sehr theoretisch?
THOMAS THIEME: Basis der Inszenierung ist Büchners »Woyzeck«, der übrigens gespielt wird von Fußballerlegende Jimmy Hartwig. Die zweite Klammer sind in der Tat Revolutionstexte von Büchner und das Dritte ist diese Stadt hier, die 89 die sogenannte friedliche Revolution veranstaltet hat. Obwohl es eine friedliche Revolution gar nicht geben kann, wie wir im Stück beweisen werden. Revolution ist immer Gewalt, und da kommen wir wieder zurück zu Büchners Theorien.
kreuzer: Sie spielen auf die Leipziger Montagsdemonstrationen an?
THIEME: Ich bin eigentlich gestartet mit der Ambition, mich um 89 zu kümmern, und habe im Grunde nur noch leere Hülsen gefunden. Damit meine ich nicht die mutigen Leipziger Demonstranten. Es gibt diese selbst ernannten Helden der Stadt, wie Kurt Masur oder Erich Loest. Sie tragen vor sich her, dass sie diese Stadt gerettet haben. Dagegen steht die Aussage von Herrn Krenz, dass es gar keinen Schießbefehl gegeben hat. Das ist geradezu grotesk, das ist ja absurdes Theater. Mich interessiert viel mehr, was jetzt los ist, was nach 20 Jahren aus diesen revolutionären Bewegungen geworden ist. Ist das alles eingeschlafen oder existiert es noch? Gibt es noch idealistische Altkommunisten oder hat die Stasi immer noch Einfluss?
kreuzer: Sie wurden auch auf anderer Ebene mit der Wendezeit konfrontiert, denn Sie spielen den Grenzöffner Helmut Kohl in dem gleichnamigen Biopic. Wie haben Sie sich dem durchaus streitbaren Politiker genähert?
THIEME: Indem ich ihn mir fremd gemacht habe, wie Brecht das vorschlägt. Man soll das, was man betrachtet, ein bisschen wegschieben, dann sieht man alles. Das habe ich im übertragenen Sinne mit Kohl gemacht. Ich habe mir Kohl 'fremd geguckt', habe weder seine seltsame Sprache kopiert noch die Bewegungen. Ich habe ihn für mich erfunden. Ein bisschen Fantasie muss der Zuschauer in der Hinsicht schon mitbringen.