Giovanni di Lorenzo ist Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit sowie Mitherausgeber des Berliner Tagesspiegels und Talkshowmoderator bei Radio Bremen. Seit fünf Jahren steht der Journalist mit italienischen Wurzeln an der Spitze Deutschlands großer Wochenzeitung, die nun ihre Fühler auch über die innerdeutschen Grenzen hinaus ausstrecken will. Denn bis heute ist der Osten nur wenig in Deutschlands überregionalen Zeitungen präsent. Der kreuzer sprach mit ihm über Sachsens neue Regionalseiten.
Giovanni di Lorenzo ist Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit sowie Mitherausgeber des Berliner Tagesspiegels und Talkshowmoderator bei Radio Bremen. Seit fünf Jahren steht der Journalist mit italienischen Wurzeln an der Spitze Deutschlands großer Wochenzeitung, die nun ihre Fühler auch über die innerdeutschen Grenzen hinaus ausstrecken will. Denn bis heute ist der Osten nur wenig in Deutschlands überregionalen Zeitungen präsent. Der kreuzer sprach mit ihm über Sachsens neue Regionalseiten.
kreuzer: Es wurde ja auch langsam Zeit: Seit 5. November gibt es in der Zeit zwei Regionalseiten für Sachsen. Warum diese Osterweiterung erst 20 Jahre nach dem Mauerfall?
GIOVANNI DI LORENZO: Ich finde es unglaublich, dass wir uns damit abfinden, dass die großen Qualitätszeitungen wie Die Zeit so wenig im Osten vertreten sind. Gute Zeitungen sind ja nicht irgendein Produkt, sondern ein Kulturgut, ohne das jede Demokratie ärmer wird. Im Osten aber werden wir immer noch zu wenig gelesen. Da müssen wir uns etwas einfallen lassen.
kreuzer: Was genau heißt »wenig gelesen«?
DI LORENZO: Sachsen ist das Bundesland im Osten, wo Die Zeit noch am meisten gelesen wird. Dennoch zählen wir im Vergleich zu den alten Bundesländern hier nur die Hälfte der Leser. Das ist ein enormer Unterschied.
kreuzer: Woran liegt das?
DI LORENZO: Zeitungen gehören zum kollektiven Gedächtnis eines Landes. Sie sind Teil der Geschichte, das wirkt sich auch auf das Leserverhalten aus. Die Frage ist aber immer: Was haben die Medien mit meinem Leben zu tun? Vielleicht haben wir das Leben der Menschen hier im Osten zu wenig abgebildet.
kreuzer: Welche Themen, glauben Sie, dringen von hier zu selten hinaus in die Welt?
DI LORENZO: Alles, was nichts mit Rechtsradikalismus, Schrumpfung der Städte oder Arbeitslosigkeit zu tun hat. Es soll viel mehr um das ganze Leben der Menschen im Osten gehen, von dem wir noch immer nicht genug wissen.
kreuzer: Waren die Feierlichkeiten um 89 Auslöser, dem Osten einen größeren Platz einzuräumen?
DI LORENZO: Nein, 89 hat damit nichts zu tun.
kreuzer: Warum aber erst 20 Jahre nach der Wende?
DI LORENZO: Einer muss ja mal den Anfang machen. Das ist ein neuer Versuch. Wir hoffen auch, dass das ein Anstoß für uns selbst ist, den Osten mehr zu thematisieren und die gegenseitige Enttäuschung, die in den letzten 20 Jahren entstanden ist, hier und da zu überwinden.
kreuzer: Die zwei Sachsen-Seiten erscheinen jedoch nur in Sachsen. Bleibt man dann nicht doch wieder unter sich?
DI LORENZO: Wir müssen Ostdeutschland natürlich auch jenseits dieser zwei Seiten mehr thematisieren. Sonst kommt es zu einer Gettoisierung von Lebenswelten. Das ist nicht unser Ziel. Es geht aber auch nicht nur darum, über Sachsen zu berichten, sondern aus Sachsen. Deshalb sind wir am Ort und haben in Dresden ein Korrespondentenbüro eingerichtet. Dabei haben wir natürlich auf regionaler Ebene auch einen Vorteil im Gegensatz zu anderen Zeitungen.
kreuzer: Welcher Vorteil ist das?
DI LORENZO: Wir sind ein unabhängiges Medium und haben die Möglichkeit über lokale Themen noch einmal aus einer ganz anderen Sichtweise zu berichten. Wir können den vergleichenden Blick auf Phänomene richten, die vermeintlich schon zu Ende besprochen wurden, wie etwa die Debatte über die Waldschlösschenbrücke in Dresden. Das heißt aber nicht, dass wir belehrend oder besserwisserisch auftreten dürfen.
kreuzer: Sie starten in Sachsen mit Regionalseiten. Das ist aber nur ein Teil des Ostens.
DI LORENZO: Das ist zuerst ein Anfang. Wir wollen vor Ort präsent sein, auch mit Veranstaltungen. Wenn die Resonanz positiv ist, können wir uns durchaus vorstellen, aus anderen Bundesländern zu berichten. Unsere Fantasie in dieser Richtung ist grenzenlos.