Drei deutsche Filme haben es in den Wettbewerb der Berlinale geschafft. Das Beste vom Besten, sollte man meinen. Pustekuchen! Zwar ist mit »Der Räuber« eine echte Überraschung dabei und mit »Shahada« ein bewegendes Erstlingswerk, aber daneben auch eine bodenlose Peinlichkeit, die ausgerechnet vom hochgelobten Oskar Roehler stammt: »Jud Süß – Film ohne Gewissen«.
Drei deutsche Filme haben es in den Wettbewerb der Berlinale geschafft. Das Beste vom Besten, sollte man meinen. Pustekuchen! Zwar ist mit »Der Räuber« eine echte Überraschung dabei und mit »Shahada« ein bewegendes Erstlingswerk, aber daneben auch eine bodenlose Peinlichkeit, die ausgerechnet vom hochgelobten Oskar Roehler stammt: »Jud Süß – Film ohne Gewissen«.
Zum ersten Mal auf der diesjährigen Berlinale endete eine Pressevorführung mit stürmischen Buhrufen. Doch davon wollte der Concorde-Filmverleih, der Roehlers Film herausbringt, natürlich nichts hören. Stattdessen hieß es in der Pressemitteilung am Freitagmorgen, der Film »begeistert auf der Berlinale«. So etwas nennt man Propaganda. Genau davon handelt der Film.
Erzählt wird die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des perfiden NS-Propagandafilms »Jud Süß« von Veit Harlan, der zu Recht bis heute verboten ist (auch wenn man ihn mal gesehen haben sollte). Kommissar-Rex-Herrchen Tobias Moretti spielt den Schauspieler Ferdinand Marian, der die Rolle des Juden übernehmen soll. Gezwungen wird er – so stellt es zumindest Roehler dar. Marians Frau ist nämlich Jüdin, ein Geheimnis, mit dem der kreischende Herr Goebbels (clownesk: Moritz Bleibtreu) den Schauspieler, der die Rolle zunächst verweigert, erpresst.
Der gravierende Haken an diesem kleinen Detail: Marians Frau war in Wirklichkeit gar keine Jüdin. Aber erst durch diese Konstruktion wird für den Zuschauer nachvollziehbar, warum sich der Schauspieler zu der üblen Propaganda hinreißen ließ. Er konnte eben nicht anders. Damit stellt Roehler den Schauspieler Marian als armes Opfer dar, obwohl er das NS-Regime durch seine Mitwirkung am Film unterstützte und somit den Massenmord an den europäischen Juden vorantrieb. »Jud Süß« stand nicht zuletzt auf dem Kinoprogramm von KZ-Wärtern.
Marian ein Opfer der Nazis? Merkwürdig, denn nach »Jud Süß« konnte er unter den Nazis noch mehrere Filme drehen. Übrigens ging es ihm auch nach dem Krieg ganz gut, bis er sich schließlich mit dem Auto zu Tode fuhr. Soll die Figur des Marian die vielen deutschen Mittäter von ihrer Schuld freisprechen? War nicht jeder irgendwie mit einem Juden verwandt und fühlte sich zur Mittäterschaft erpresst? Ein unerträgliches Stück Geschichtsrevisionismus. Und obendrein plakativ inszeniert. Völlig unerklärlich, wie so etwas in den Wettbewerb gelangen konnte.
Kein Anwärter auf den Goldenen Bären, aber ein überzeugender Debütfilm ist »Shahada« von Burhan Qurbani. Der Absolvent der Filmakademie Ludwigsburg verknüpft verschiedene Episoden von Muslimen in Berlin, die alle mit ihrem Glauben ins Hadern kommen. Da ist die junge Maryam, die heimlich ihr Kind abtreibt, der Polizist Ismail, der seine Familie im Stich lässt, und der Nigerianer Samir, der seine Homosexualität entdeckt. Qurbani entdeckt das Kino nicht neu, sondern setzt auf eine unmittelbar emotionale Erzählweise – nuancenreich und packend, aber in seiner Emotionalisierung nicht immer zweckgebunden.
Deutlich komplizierter kommt Benjamin Heisenbergs »Der Räuber« daher. Was am Anfang wie eine allzu spröde Geschichte um einen Wiener Ex-Knacki erscheint, entwickelt sich immer mehr zu einer Herausforderung an die Sehgewohnheiten: »Der Räuber« reißt einen förmlich vom Hocker, aber nie weiß man so recht, woran man eigentlich ist. Heisenberg erzählt von einem Bankräuber und Marathonläufer, der ein Getriebener seiner selbst ist. Er raubt nicht etwa des Geldes wegen, sondern um zu innerer Ruhe zu kommen. Ein aufwühlendes und verstörendes Filmexperiment, das schon am 4. März in den Kinos anläuft – mehr dazu im kommenden kreuzer.