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Kultur

Kein Preis für Hegemann

»Roman unserer Kindheit« von Georg Klein wird mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.

  Kein Preis für Hegemann | »Roman unserer Kindheit« von Georg Klein wird mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.

Schon im Vorfeld der Verleihung des sechsten Leipziger Buchpreises war abzusehen, dass der mit 15 000 Euro dotierte Preis in der Kategorie Belletristik nicht an Helene Hegemann vergeben wird. Den Preis erhält Georg Klein für seinen Kindheitsroman über die Geheimnisse eines Feriensommers in einer süddeutschen Provinzstadt der 1960er Jahre.

Schon im Vorfeld der Verleihung des sechsten Leipziger Buchpreises war abzusehen, dass der mit 15 000 Euro dotierte Preis in der Kategorie Belletristik nicht an Helene Hegemann vergeben wird. Den Preis erhält Georg Klein für seinen Kindheitsroman über die Geheimnisse eines Feriensommers in einer süddeutschen Provinzstadt der 1960er Jahre.

Helene Hegemann hatte ihre Lesung abgesagt, die für die Zugfahrt von Berlin zur Leipziger Buchmesse geplant war, nachdem Schriftstellerstars in der »Leipziger Erklärung« deutlich gemacht hatten, dass ihr Buch nicht preiswürdig sei. Gleichzeitig heizte jene Erklärung die Debatte um das Urheberrecht und Authentizität erneut an. Der Verband Deutscher Schriftsteller positionierte sich mit der Erklärung unmissverständlich: »Wenn ein Plagiat als preiswürdig erachtet wird, wenn geistiger Diebstahl und Verfälschungen als Kunst hingenommen werden, demonstriert diese Einstellung eine fahrlässige Distanz von Rechtsverstößen im etablierten Literaturbetrieb.«

Trotz der Plagiatsvorwürfe hatte die Jury die Nominierung von Axolotl Roadkill nicht zurückgenommen. Jury-Vorsitzende Verena Auffermann verteidigte noch auf der Verleihung die Entscheidung: »17-Jährige machen Fehler. Das war schon immer so, nicht erst im 21. Jahrhundert. Wir haben unsere Entscheidung unter ästhetischen Gesichtspunkten getroffen.« Die Jury habe die Vorwürfe der Schriftstellerstars ernst genommen, sich aber von der Kritik von außen nicht beeinflussen lassen. Auch wenn sie nach ästhetischen Gesichtspunkten geurteilt hat, signalisiert die Entscheidung gleichzeitig: »Leipzig toleriert keine Plagiate.«

Im Mittelpunkt der Diskussion um das Plagiat steht die Frage, ob man von einem originären Kunstwerk sprechen kann, wenn fremde Texte in einen neuen Zusammenhang gebracht werden. Hegemann hatte ihre Arbeitsweise immer wieder mit dem Argument verteidigt, dass es keine »Originalität« gebe und sie sich als Regisseurin des Werks verstehe. Kulturjournalisten und Autoren diskutierten darauf hin, ob ein fahrlässiger Umgang mit dem Urheberrecht das gesamte künstlerische Schaffen infrage stellt. Dass dies der Fall sei, war in den meisten Feuilletons überregionaler Zeitungen zu lesen. Zuvor hatten sie Axoltl Roadkill in den Himmel gelobt. Als bekannt wurde, dass sich die mittlerweile volljährige Helene Hegemann beim Blogger Airen großzügig bedient hatte, regnete es Spott und Häme.

Aber sie wurde auch verteidigt. In der ZEIT-Titel-Geschichte vom 18. Februar 2010 interpretierte Kulturjournalistin Iris Radisch den plötzlichen Sinneswandel des »Kulturestablishments« nach dem Skandal als Kollision zweier Medienkulturen. Demnach sei Hegemann mit ihrem Authentizitätsverständnis ein unliebsamer Eindringling in das Herrenfeuilleton. Dieses hätte deshalb so sehr auf die Jungautorin »eingeschlagen«, weil sie mit ihrem virtuosen und bedenkenlosen Schreibstil die Legitimität der alten Herrenrunden bedrohe. In derselben Ausgabe ZEIT wird Hegemann in eine Reihe mit Thomas Mann und Bertolt Brecht gestellt, die es mit Urheberrechtsfragen auch nicht immer so genau nahmen.

Doch dies sehen Schriftstellerstars wie Günter Grass und Christa Wolf anders. Die Unterzeichner der Leipziger Erklärung sehen Urheberrechtsverletzungen nicht als Kavaliersdelikt an. Der Verband machte deutlich, dass eine Urheberrechtsdebatte, die sich am Beispiel Axolotl Roadkill erschöpft, zu kurz greife. Viel mehr würden die Neuen Medien eine allgemeine Gefährdung für die Urheberrechte der Autoren darstellen. Wenn Schriftsteller und Übersetzer weiterhin von ihrer Arbeit leben können sollen, so der Geschäftsführer des Verbands deutscher Schriftsteller Imre Török, müsse Kreativität geschützt werden. Daher dürften Urheberrechtsverletzungen nicht geduldet werden. »Der Verlag und die Lektoren haben ihre Sorgfaltspflicht verletzt, nicht die Autorin.«

Eines steht jedenfalls fest: Der Ullstein-Verlag hat von dem Skandal um Helene Hegemann vor allem profitiert und die unheimliche öffentliche Aufmerksamkeit hat die Jungautorin zu einer Bekanntheit verholfen, von der viele ihrer älteren Kollegen nur träumen können. Der bislang kaum bekannte Blogger Strobo dürfte ebenso erheblich an Popularität gewonnen haben.


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