Susanne Bolf und Thorsten Giese sind Mitglieder der Theaterturbine. Mit kreuzer online sprechen sie über die Kunst und Angst der Improvisation, die Arbeit mit Amateuren und ihre Erfahrungen bei der Deutschen Improvisationstheater-Meisterschaft.
Susanne Bolf und Thorsten Giese sind Mitglieder der Theaterturbine. Mit kreuzer online sprechen sie über die Kunst und Angst der Improvisation, die Arbeit mit Amateuren und ihre Erfahrungen bei der Deutschen Improvisationstheater-Meisterschaft.
kreuzer online: Was unterscheidet für euch die Arbeit, wenn ihr Impro macht vom üblichen Geschäft? Was ist das Besondere?
SUSANNE BOLF: Das Schöne an Impro ist, dass ich nicht nur Schauspielerin bin, sondern ich bin Regisseurin, Autorin, Dramaturgin und Schauspielerin, und muss die gesamte Geschichte im Blick haben und nicht nur meine Rolle und meine Partner. Ich habe mehr Verantwortung fürs Ganze und bin meine eigene Herrin. Ich erfinde meinen eigenen Text.
kreuzer online: Aber immer nur für den Abend, den Moment, in dem es stattfindet.
BOLF: Nur für den einen Moment … Aber das verbindet Theater und Improspiel: dass es darum geht, sich in dem Augenblick zu befinden. Den Kontakt jetzt zum Publikum und zu mir selbst herzustellen. Aber es ist ein Moment und dann ist es vorbei für immer.
THORSTEN GIESE: So sollte Theater ja immer sein. Aber das, was bei der Improvisation auf die Bühne kommt, hat auch ganz viel mit einem selbst zu tun. Das ist ja auch etwas, was viele professionelle Schauspieler davon abhält, Impro zu machen, denn du musst dich ziemlich aufmachen. Es zeigt alle deine Stärken, aber auch alle deine Schwächen. Das muss man mögen.
kreuzer online: Und was macht man, wenn man merkt, die Szene funktioniert so nicht oder steckt gar fest. Wie kommt man da raus?
GIESE: Du schraubst mit und versuchst, die Geschichte gerade zu ziehen. Also deine Partner mitnehmen und schauen, wo ist der Kern all dessen. Ich habe mich dahin gespielt, du hast dich dahin gespielt und keiner weiß so richtig, wohin. Also muss es einen geben, der mal so richtig auf den Tisch haut. Als ob man die Fäden wieder gerade zieht.
kreuzer online: Ihr seid seit 2002 in Leipzig. Wie hat sich die Gruppe entwickelt, als Kollektiv selbstständiger professioneller Schauspieler?
BOLF: Als ich 2003 dazukam, gab es die Gruppe schon. Da wehte ein sehr rauer Wind. Die Maßstäbe waren sehr streng und die Kritik teilweise sehr hart. Dabei hat Impro ja viel mit Aufgefangenwerden und Sich-fallen-Lassen zu tun und das hat sich deutlich entwickelt. Der Ton ist viel konstruktiver geworden.
GIESE: Beim Impro-Theater arbeitet man ja sehr viel mit seinem eigenen Material, das heißt, die Kritik trifft dich auch härter. Es ist nicht nur der Ton, sondern auch, wie man damit umgeht. Die wichtigste Entwicklung war aber sicher dahin, das Spiel ernster zu nehmen, hin zum – das klingt jetzt ein bisschen groß – Geschichten erzählen. Nicht nur Spaßunterhaltung, sondern auch die Suche nach berührenden Momenten. Gerade die neue Langform »Das Labor« zeigt, dass Impro mehr sein kann, als nur ein paar Späßchen auf der Bühne.
kreuzer online: Was ist beim »Labor« für euch als Spieler anders als in euren Kurzformaten?
BOLF: Du musst anders denken, wenn du eine Geschichte über eine dreiviertel Stunde erzählen willst. Du hast vielmehr Möglichkeiten, in die Tiefe der Figuren zu gehen und breit und menschlich zu werden. Du hast eben fünf Szenen statt einer Szene, um eine Figur zu beleuchten.
GIESE: Neulich hatte eine Figur beim »Labor« einen Traum und drei Kollegen kommen dann und spielen diesen Traum. Das fällt dir bei den Kurformen gar nicht ein. Du hast viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten, Rückblenden und solche Sachen, die eine Geschichte einfach reicher machen.
kreuzer online: Ihr seid ja auch auf nationaler wie internationaler Ebene gut vernetzt. Wie wirkt sich das konkret auf die Arbeit aus?
GIESE: Im Mai startete die neue Reihe »Riskante Gastspiele«, die sich an unser Format anlehnt. Da kommen andere Improvisateure hinzu, die anders spielen, und wir gucken, was passiert, wenn wir gemeinsam auf der Bühne sind.
BOLF: Wir waren auch auf der Deutschen Impromeisterschaft und haben da andere Gruppen kennengelernt. Davon haben wir einige eingeladen.
kreuzer online: Deutsche Meisterschaft, also richtig mit Preisen?
GIESE: Ja ja, richtig absurd. Man spielt dann gegeneinander. Das geht zwar eigentlich nicht, aber das Publikum steht drauf. Wir sind dann im Halbfinale rausgeflogen, weil einer von uns sich eine Aufgabe vom Publikum geholt hat, die totaler Kamikaze war.
kreuzer online: Gibt es außer der Impro-Schiene noch andere gemeinsame Projekte?
GIESE: Wir machen jetzt im Sommer ein Sommertheater in der Moritzbastei. Eine Stückentwicklung, für die wir viele Elemente des Impros nutzen werden, aber es wird natürlich nicht improvisiert sein. Da verschmelzen dann auch die Grenzen zwischen Impro und dem üblichen Theater und das befruchtet sich gegenseitig. Ich finde es sehr spannend, solche symbiotischen Wege zu gehen. Auch Sebastian Hartmann am Centraltheater betont ja immer, direkt auf der Bühne mit Improvisationen zu arbeiten.