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»Ein großes soziales Kunstwerk«

In Leipzig wurden am Wochenende neue »Stolpersteine« verlegt

  »Ein großes soziales Kunstwerk« | In Leipzig wurden am Wochenende neue »Stolpersteine« verlegt

Es ist heiß in der Raustraße 6 in Wahren. Eine kleine Gruppe von ca. 20 Menschen wartet auf den Künstler und Bildhauer Gunter Demnig, der hier neue Stolpersteine verlegen wird. Rund 70 der pflastersteingroßen, gold glänzenden Steine sind bereits in Leipzig verteilt worden – vor ehemaligen Wohnorten von Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen von den Nationalsozialisten ermordet wurden.

Es ist heiß in der Raustraße 6 in Wahren. Eine kleine Gruppe von ca. 20 Menschen wartet auf den Künstler und Bildhauer Gunter Demnig, der hier neue Stolpersteine verlegen wird. Rund 70 der pflastersteingroßen, gold glänzenden Steine sind bereits in Leipzig verteilt worden – vor ehemaligen Wohnorten von Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen von den Nationalsozialisten ermordet wurden.

Eingravierte Namen und Sterbedaten erinnern an die Opfer des Holocausts. Auch wenn der Name »Stolperstein« es vermuten lässt, geht es nicht um das tatsächliche Stolpern, schließlich werden die Steine ebenerdig in den Boden gefügt. Es geht, wie Demnig gerne erklärt, »um das Stolpern mit dem Kopf und mit dem Herzen«.

Letzten Freitag und Samstag wurden insgesamt 15 weitere Stolpersteine in Leipziger Gehwege eingesetzt. Der erste wird in Gedenken an den Kommunisten Georg Schumann verlegt, der dem nationalsozialistischen Regime Widerstand leisten wollte und dafür mit seinem Leben bezahlte. Als Gunter Demnig eintrifft, kann es losgehen. Während der Stein nach weniger als zehn Minuten an seiner neuen Stelle ruht, werden kurze Reden gehalten. Zum Ausklang spielt ein Saxophon. Die Sonne spiegelt sich im frisch eingesetzten Messingstein.

Reiste extra für die Gedenkfeier nach Leipzig: Sandy Speier-Klein, Tochter von Paula Buchaster
Es ist den Teilnehmern dieser Tour durch die Stadt fast unmöglich, alle Verlegungen rechtzeitig zu erreichen. Die Steine liegen quer durch Leipzig verteilt und die Zeit ist knapp: Es geht im Halbestundentakt von Stolperstein zu Stolperstein. In der Humboldtstraße 9 sind es gleich drei neue Steine. Ein Mann erzählt die Familiengeschichte: Paula und Jakob Buchaster und deren Sohn Manfred, die 1939 nach Italien flohen und 1944 (allerdings ohne Manfred) von den Nazis nach Auschwitz deportiert wurden. Was danach mit Manfred geschah, ist bis heute unklar. Paula Buchaster wurde in Bergen-Belsen befreit und wanderte in die USA aus, wo sie eine neue Familie gründete. Ihre Tochter Sandy Speier-Klein ist für die Gedenkfeier nach Leipzig gereist. Ein paar Sätze spricht sie mit tränengefüllten Augen auf Deutsch: »Ich spüre, dass meine Mutter und mein Halbbruder heute hier sind.« Für ihre Familiengeschichte interessiert sie sich schon lange. »Die Überlebenden haben ihren Kindern nichts erzählt, sie wollten sie schützen. Ich hatte schon immer den Drang, meine Wurzeln zu finden und habe mich in meinem Leben oft gefragt, ‚Was wäre, wenn?’« Es sei ein seltsames Gefühl, den Ort zu sehen, der ihre Heimat hätte sein können, aber heute ganz anders aussieht: eine moderne Shopping-Passage. Sandy Speier-Klein ist froh, dass sie jetzt einen Gedenkort hat, das Thema lässt sie dennoch nicht los.

Weiter geht es in die Südvorstadt, Brandvorwerkstraße 52. Drei Schülerinnen des Kant-Gymnasiums haben über das Leben der Jüdin Fanny Feinstein recherchiert: Feinstein wurde mit vielen anderen 1943 aus Theresienstadt deportiert und in Auschwitz ermordet. Bei der Einsetzung ihres Steins muss erst mal mit viel Staub und Lärm eine Platte durchtrennt werden. Zur Routine wird es für Gunter Demnig nicht, »Blöde Frage!« Natürlich könne man sich bei über 25.000 verlegten Steinen in über 551 deutschen Städten und 8 Ländern Europas nicht mehr in jede Biographie vertiefen, aber es seien immer neue Menschen, immer neue Orte. Für ihn sei es ein »großes soziales Kunstwerk«, wenn z.B. Schüler mit Zeitzeugen zusammenkommen, um Erinnerungen lebendig zu machen.

Die Namen der drei ermordeten Personen, derer nun in der Öffentlichkeit gedacht wird, klingen noch im Ohr. Gunter Demnig sagt passend: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“


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