Die Ausstellung »Connecting Threads« zeigt im Archiv Massiv auf der Spinnerei mit Werken von Christiane Eisler, Ramona Schacht und Johanna Rogalla die vielen unsichtbaren Geschichten rund um die Arbeit.
»Der Traum vom schnellen, großen Aufschwung ist ausgeträumt. Die Segnungen der freien Wirtschaft haben als Boten Massenarbeitslosigkeit und Benachteiligungen für die ostdeutschen Frauen vorausgeschickt. Damit darf sich niemand abfinden. Auch und gerade nicht in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Denn diese kommt nicht von allein, sondern ruft heute nach Taten, die den Menschen helfen, ihre soziale Existenz zu sichern und unter menschenwürdigen Bedingungen leben und arbeiten zu können.« So steht es in der Einleitung des 1992 erschienenen Text-Bild-Band »Luxus Arbeit – ›Meine Mutter war auch nur eine Frau‹.« über die Situation der Arbeiterinnen in Betrieben des Leipziger Westens.
Über 30 Jahre später spielt dieser Band in der aktuellen Ausstellung »Connecting Threads« im Archiv Massiv eine wichtige Rolle, denn hier sind Fotografien aus dem Buch von Christiane Eisler zu sehen, die zwischen 1990-92 weibliche Erwerbsarbeit in Leipziger Betrieben wie dem Bekleidungswerk Vestis, das sich in der Erich-Zeigner-Allee 64 befand, oder der Baumwollspinnerei in der Spinnereistraße 7 dokumentierte. Keiner der Standorte dient heute noch der industriellen Produktion, die Arbeiterinnen verschwanden.
Das Zentrum für optimistische Bergbauforschung – ein Zusammenschluss von Kunstschaffenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – die sich seit 2019 mit der Industrie- und Bergbaugeschichte auseinandersetzen – organisierte diese Schau am ehemaligen Industriestandort, die drei künstlerische Positionen aus unterschiedlichen Generationen miteinander verbindet, sowie ein Rahmenprogramm, das der Frage nachgeht wie wir heute mit den Geschichten und Orten umgehen.
Die Fotografin Christiane Eisler (*1958 in Ostberlin, 1978-1983 Fotografie-Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Diplom mit Fotografien von Punkern in der DDR bei Evelyn Richter) begann bereits in den 1980er Jahren mit der Dokumentation von Frauen in der Textilproduktion. Davon sind in einer Vitrine ihre Porträts aus der Nähwerkstatt bei Vestis zu sehen und ein erklärender Text von der Fotografin nachzulesen. Ein großes Schaubild führt zu ihren Aufnahmen für den »Luxus Arbeit«-Band, verbunden mit den Informationen zu den einzelnen Produktionsstätten, die allesamt einen sehr hohen Anteil an Arbeiterinnen besaßen.
Der in der Mitte des Raumes befindliche Holzkasten mit überdimensionalen Diapositiven samt Motiven aus der Produktion stammt von Ramona Schacht (*1989, Gifhorn) und trägt den Titel »Archive of female work«. Die Fotografin, die bei Heidi Specker an der Hochschule für Grafik und Buchkunst und in der Masterklasse von Rudolf Schäfer an der Burg Giebichenstein in Halle studierte, recherchierte in unterschiedlichen Archiven zu ihrer Serie »Pictures as a promise« über weibliche Erwerbsarbeit in der Textilproduktion. An einer Wand sind unterschiedliche Aufnahmen von Frauen in der Produktion aus der Sektion »Körper und Produktion« zu sehen. Sie konzentrieren sich auf ausgewählte Gesten und regen Antworten auf Fragen an – wie etwa: Was erzählen Fotografien über die Positionen von Frauen im Produktionsprozess und in der Institution an sich? Was erkennen wir heute noch daran und darin?
Die Installationen von Johanna Rogalla (* 1992, Wiesbaden), die an der Burg Giebichenstein in Halle Textildesign studierte, zeigen transparent wirkende gemusterte Textilschichten – Jacquard Gewebe. Auf dem ersten Blick wirken sie sehr luftig, präsentiert sich in der Materialität die industrielle Fertigung doch erst auf dem zweiten Augenschein.
Zur Ausstellung hat das Institut für optimistische Bergbauforschung ein interessantes Rahmenprogramm zusammengestellt:
> »Textilarbeit, Design und Weiblichkeit – worüber müssen wir bis heute sprechen?«, Gespräch und Führung mit Bettina Göttke-Krogmann (Professorin für Textildesign an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle) und den Künstlerinnen Johanna Rogalla und Ramona Schacht, 16.4., 17 Uhr
> »Wittstock_Vier«, Vier Kurzfilme aus der Dokumentarreihe von Volker Koepp zu den Textilarbeiterinnen in Wittstock, 23.4., 19 Uhr, Luru-Kino
> Aus den BUNA-Werken in die 1990er Jahre: Drei Arbeitsansätze im Dialog, Gespräch mit Tina Bara (Prof für Fotografie HGB Leipzig), Jan Wenzel (Spector Books) und Christiane Eisler, 24.4., 16 Uhr
> »Connecting Threads. Textilproduktion und die Arbeit an ihren Bildern«, Spinnerei Archiv Massiv, bis 30.4., Di-Sa 11-17 Uhr
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