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Kultur

Großartige Musik auf dem Lande

Das Haldern Pop Festival bestätigt seinen guten Ruf

  Großartige Musik auf dem Lande | Das Haldern Pop Festival bestätigt seinen guten Ruf

Am letzten Wochenende war es wieder einmal Zeit für aktive Entspannung. Einmal jährlich kommt auf jeden der 5000 Einwohner des Örtchens Haldern am Niederrhein durchschnittlich ein Festivalbesucher. Dann versammelt sich ein vornehmlich deutsches und niederländisches, junges und ehemals junges Indie-Publikum auf dem Gelände des Alten Reitplatzes, um aktuelle und zukünftige musikalische Lieblinge zu feiern.

Am letzten Wochenende war es wieder einmal Zeit für aktive Entspannung. Einmal jährlich kommt auf jeden der 5000 Einwohner des Örtchens Haldern am Niederrhein durchschnittlich ein Festivalbesucher. Dann versammelt sich ein vornehmlich deutsches und niederländisches, junges und ehemals junges Indie-Publikum auf dem Gelände des Alten Reitplatzes, um aktuelle und zukünftige musikalische Lieblinge zu feiern.

Denn die Organisatoren haben traditionell ein sicheres Händchen für das nächste große Ding des Folgejahres. Und das nicht nur vereinzelt. Unabhängig vom geschmackssicheren Line-Up lockt Haldern immer mit frischer Landluft, höchst sympathischen Besuchern und einem Minimum an Kapitalismus. Auf gigantische Aufsteller und Werbebanner wird bewusst verzichtet, die Veranstalter kooperieren mit wenigen ausgewählten Firmen. Neben überzeugenden Bands werden erschwingliche Verpflegung, lecker Vinyl und gutaussehende T-Shirts geboten. Es zählt die Liebe zu Inhalten, das spürt man an allen Ecken und Enden. Das Programm spiegelt alljährlich das wider, was derzeit und in Bälde in den Genres Gitarrenpop, Folk und Country zu begeistern weiß. Nach einem guten, jedoch ein wenig gleichförmigen Programm im letzten Jahr wird es den Gästen 2010 wieder leicht gemacht, gefüllt mit Euphorie aus einem erholsamen, verlängerten Wochenende in den Alltag zurückzukehren. Es folgt eine Auswahl von erinnerungswürdigen Momenten.

Am ersten Abend des Festivals verzaubern die Isländer Seabear das Festivalzelt mit ihrem intensiven Pop an der Schnittstelle zwischen Klassik und Folk. Das ist zwar wenig überraschend, aber nicht minder schön. Meine persönlichen Headliner sind am Donnerstagabend die brandheißen Stornoway aus Oxford. Die jungen Briten zeigen, dass sie nicht nur magische, introspektive Folk-Balladen beherrschen, sondern durchaus auch rocken können. Sie sind fraglos einer der zahlreichen Gründe, weswegen es sich nach Jahren immer noch lohnt, nach neuen, überraschenden Bands Ausschau zu halten. Schön, dass man immer noch die gute alte Gänsehaut bekommt, wenn ein Konzert schlichtweg perfekt ist und man einfach nur wegtauchen kann. Nach einer halben Stunde stört ein kleiner Trupp von Trunkenbolden, die offenbar eher in Ballermann-Stimmung, denn in bedächtiger Zuhör-Laune sind, die Idylle. Eine größere Anzahl von Zuhörern weist sie nett darauf hin, dass sie nerven. So kann das fulminante Konzert ohne größere Zwischenfälle weitergeführt werden. Die infantilen Nervensägen schmollen und geben dann noch mal Alles, um gesehen zu werden, was aber nicht gelingt. Nach einer explosiven Darbietung ihrer Single »I Saw You Blink« sparen Stornoway ihren heimlichen Hit »Zorbing« bis zur Zugabe auf. So schlägt dieser umso mehr ein. Wunderbar!

Nach höchst soliden Auftritten von Fyfe Dangerfield und Laura Marling bringen am zweiten Festivaltag Post War Years mit treibenden Songs das Zelt zum Grooven. Danach bezeugen Mumford & Sons auf der Hauptbühne, dass sie zu Recht als das Aushängeschild der Neo-Folk-Bewegung gelten dürfen. Beirut spielen ein überzeugendes, nächtliches Set mit grandiosen Lichteffekten und machen dann die Bühne frei für Serena Maneesh. Die Norweger beglücken eine überschaubare, im Stillen frenetische Gruppe von The Jesus & Mary Chain Fans und lassen sich hinsichtlich ausgedehnter Psychedelic-Noise-Walls nicht lumpen.

Am Samstag stimmen Portugal.The Man mit knackigen Gitarrenlinien die Menge gekonnt auf das Folgende ein. Fanfarlo beginnen ihren Auftritt und da ist es wieder: das Gänsehaut-Gefühl am ganzen Körper, für das man, ohne zu mucken, drei wenig schlafintensive Nächte auf der Isomatte in Kauf nimmt. Euphorische Trompeten, großartiger Gesang und punktgenaue Wendungen sind die Elemente, die im Verein laut geäußerte Gedanken wie »So muss das klingen!« und »Bitte mehr davon!« verursachen. Die Sonne scheint, die Bäume rauschen und man weiß, es ist erst Nachmittag. Efterklang sind gewohnt professionell darin, die Menge in Verzückung zu versetzen und Dan Deacon holt mit seinen fiesen Rave-Stompern das Letzte aus den ohnehin schon begeisterten Besuchern heraus. Gegen Ende der Nacht erdet The National das Ganze mit einem für meinen Geschmack mittelmäßig guten Set. Wie auch schon andere Künstler zuvor, ist Sänger Matt Berninger angenehm überrascht von den unbekleideten Badegästen, die er am Nachmittag am nahegelegenen See erblickte: »Wir sind Amerikaner, so etwas gibt es bei uns nicht.« Später verabredet er sich mit dem Publikum zum Nacktbaden am nächsten Tag.

Der Seebesuch ist beim Haldern so obligatorisch wie das Kühe Schauen und das auf-dem-Haldern-vom-Haldern-Schwärmen. Auch wenn das sogenannte »Festivaltent« immer wieder für Gesprächsstoff und bissige Bemerkungen, gerade von Haldern-Neulingen, führt. Dieses fasst nur circa 1500 der etwa 6000 Besucher. Daher bilden sich zwangsläufig mittellange bis lange Schlangen vor dem Eingang – insbesondere am ersten Festivaltag, an dem ausschließlich die Zeltbühne bespielt wird. Stornoway offerieren daher freundlicherweise ein paar Stunden vor ihrem eigentlichen Set ein Exklusivkonzert für alle Wartenden, das aber leider im allgemeinen Geplauder untergeht. Zudem grüßen sie bei ihrem regulären Gig explizit die Leute, die es nicht ins Zelt geschafft haben. Die Veranstalter versuchen, das Manko mit einer Groß-Leinwand auszugleichen. Die Bildqualität ist hervorragend. Leider lässt der Leinwand-Sound nach einigen technischen Problem am Donnerstag zu wünschen übrig. Das ist zwar ein von anderen Festivals bekanntes Problem. Nichtsdestotrotz steht zu hoffen, dass dafür eine demokratischere Lösung seitens der Organisatoren gefunden wird, da man sich nicht so recht an die Ungleichheit gewöhnen mag. Von diesem Wermutstropfen lässt sich jedoch das grundpositive Gefühl wenig trüben, das Haldern seinen Gästen alljährlich verschafft. In diesem Jahr verbanden sich perfektes Festivalwetter mit einem berauschenden Line-Up und angenehmen neuen Bekanntschaften zu einem schwerlich schlagbarem Erlebnis. Daher kann es nur heißen: »Auf ein Neues im nächsten Jahr, Haldern!«


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