Wenn an diesem Wochenende tausende Musikbegeisterte beim Highfield-Festival am Ufer des Strömthaler Sees feiern, werden sich nur die wenigsten der Geschichte des Veranstaltungsgeländes bewusst sein. Bühne und Zeltplatz liegen auf der Magdeborner Halbinsel. Just dort, wo sich bis 1980 Gruna befand, ein Ortsteil von jenem namensgebenden Magdeborn, dessen Gebiet heute zu einem Großteil vom See bedeckt ist.
Wenn an diesem Wochenende tausende Musikbegeisterte beim Highfield-Festival am Ufer des Strömthaler Sees feiern, werden sich nur die wenigsten der Geschichte des Veranstaltungsgeländes bewusst sein. Bühne und Zeltplatz liegen auf der Magdeborner Halbinsel. Just dort, wo sich bis 1980 Gruna befand, ein Ortsteil von jenem namensgebenden Magdeborn, dessen Gebiet heute zu einem Großteil vom See bedeckt ist.
Die Geschichte von Magdeborn ist zumindest in ihrer Endphase, die vom Gegensatz zwischen technischem Fortschritt und den Schicksalen einzelner Menschen. Die Ortschaft, in ihrer endgültigen Form 1934 durch den Zusammenschluss von sieben Dörfern entstanden, lag am Rande des Tagebaus Espenhain südlich von Leipzig. Dieser dehnte sich auf Grund des hohen Kohlebedarfs in der DDR immer weiter aus, bis er schließlich an die Grenzen von Magdeborn stieß. Im Jahr 1976 wurde den Einwohner mitgeteilt, dass ihr Dorf bis 1980 vollständig abgerissen werden soll. Zu diesem Zeitpunkt lebten dort 3200 Menschen, die in den folgenden vier Jahren umgesiedelt wurden. Viele erhielten Wohnungen im neu entstehenden Grünau, in Schönefeld und Borna. Zwar achteten die Behörden bei der Wohnungsvergabe darauf, dass die ehemaligen Magdeborner relativ zentriert in den Blöcken untergebracht wurden, dennoch war mit der Sprengung der Kirche das Ende der Dorfgemeinschaft besiegelt. 1980 ging das Gebiet an die Grube Espenhain über. Bis 1996 wurde dort Braunkohle gefördert. Seit 2001 füllt sich das Restloch mit Wasser und es entsteht der Strömthaler See, der voraussichtlich im kommenden Jahr vollständig geflutet sein wird.
Was die Geschichte des Dorfes, dessen Schicksal auch andere Ortschaften in Kohlegebieten teilten, besonders macht, ist die tief greifende und zeitlose Dokumentation ihres Endes. DEFA-Regisseur Kurt Tetzlaff widmete sich in seinem Film »Erinnerungen an eine Landschaft – Für Manuela« eindrucksvoll der Thematik. Von 1979 bis 1982 begleite er die Menschen auf ihrem Weg in die neue Heimat, sammelte Eindrücke vom Abriss der Häuser, dem Vorrücken der Bagger und fing O-Töne der Verantwortlichen ein, welche die Notwendigkeit des Abrisses erläuterten. Entstanden sind so authentische Einblicke in die Schicksale der Menschen.
Der Film zeigt Manuela, das letzte Baby in Magdeborn, die Postfrauen, die ihre Arbeit im Dorf erst beenden als die letzten sechs Familien wegziehen, und den Wirt, der zwei Jahre später an jener Stelle auf einem Kohlebagger arbeitet. Eine greise Frau erzählt vor ihrem zum Abriss stehenden Haus vom im Krieg gebliebenen Mann, ihren vier Kindern, die sie allein großgezogen hat und davon, dass sie sich nicht vorstellen kann, in der Stadt zu leben, weil sie nicht »fein genug« sei. Gerade jene tragisch-komischen Momente sind es, die den Film auszeichnen. In Eythra, einem Nachbardorf von Magdeborn, das Anfang der 1980er Jahre ebenfalls dem Tagebau zum Opfer fiel, antwortet eine ältere Dame auf die Frage, was denn nach dem Abriss ihres Hauses aus ihr werden würde, lakonisch: »Nu, vielleicht in den Himmel, vielleicht in den Neubau.«
»Erinnerungen an eine Landschaft« ist zugleich in seiner Entstehung ein Dokument tatsächlicher und innerlich antizipierter Zensur in der DDR. Von Seiten der Kulturoffiziellen erntete Tetzlaff Kritik. Sie warfen ihm eine zu starke emotionale Nähe zu den Menschen vor. Tetzlaff entgegnet im Rahmen einer Sondervorführung im Zeitgeschichtlichen Forum: »Hätte ich nicht mit den Betroffenen geweint, hätte ich den Film nicht machen können.« Für die Endfassung des Filmes musste er nach eigenem Bekunden einige der besten Szenen streichen. Trotzdem lief der Streifen nach seiner Premiere im Begleitprogramm des Leipziger Dokumentarfilmfestivals nur sehr selten in DDR-Kinos.
Tetzlaff betrachtet den Film dennoch rückblickend als seinen wichtigsten. Entscheidend sei es gewesen, ein Vertrauensverhältnis zu den Leuten aufzubauen, da Menschen mit Kamera in dieser Zeit ungern gesehen wurden, weil Dokumentarfilme teilweise für Propagandazwecke missbraucht wurden. Dennoch gelang ihm die Vertrauensbildung. »Die Leute waren nachher sehr zutraulich«, so Tetzlaff. Durch lange Einstellungen und einen auf das Minimum reduzierten Kommentar, wollte er dem Zuschauer ermöglichen, eigene Gedanken zu entwickeln. Ein Anspruch, dem Tetzlaff gerecht wurde. Lange Sequenzen, in denen sich der Zuschauer ein eigenes Bild der beteiligten Personen aller Seiten machen kann, gepaart mit unkommentierten Bildern der Ruinen, des Abrisses und des entstehenden Neubaugebiets Grünau sorgen dafür, dass der Film zu einem zeitlosen Dokument wurde und auch heute noch absolut sehenswert ist.
Gegen das Vergessen ihrer alten Heimat kämpfen auch viele ehemalige Magdeborner. So organisieren sie beispielsweise jährliche Treffen. Außerdem entsteht in der Gemeinde Großpösna gerade das Projekt »Vineta«. Das auf einem Ponton im Strömthaler See schwimmenden Gebäude soll ein Denkmal für Magdeborn werden. Vielleicht findet auch der ein oder andere Highfield-Besucher Zeit, über die Geschichte einer vom menschlichen Fortschritt gezeichneten Gegend zu sinnieren, wenn er zwischen zwei Bands seinen Blick über das Gewässer streifen lässt.