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Kultur

Symphonie für einen Burger

»FZML« verbindet zeitgenössische Musik und Fast Food

  Symphonie für einen Burger | »FZML« verbindet zeitgenössische Musik und Fast Food

Badeanstalt, Straßenbahn oder auch Bordell: meist gewöhnliche Orte des Alltags werden vom »Forum Zeitgenössischer Musik Leipzig« in der Konzertreihe »Freizeitarbeit« mit Musik konfrontiert und so in ein Spannungsfeld zwischen Vertrautem und Neuem gebracht. Nun steht ein Konzert im Burger King Radefeld an, wofür das FZML sogar einen internationalen Kompositionswettbewerb zum Thema Fast Food ausschrieb. Sieben Preisträger sind für den Auftritt am Samstag nominiert. Der künstlerische Leiter Thomas Christoph Heyde über unpassende Konzertorte, Ernährungskategorien bei Künstlern und den musikalischen Umgang mit Fast Food.

Badeanstalt, Straßenbahn, oder auch Bordell: meist gewöhnliche Orte des Alltags werden vom FZML in der Konzertreihe »Freizeitarbeit« mit zeitgenössischer Musik konfrontiert und so in ein Spannungsfeld zwischen Vertrautem und Neuem gebracht. Für das Programm der nächsten Freizeitarbeit im Burger King Radefeld schrieb das FZML einen internationalen Kompositionswettbewerb zum Thema Fast Food aus und nominierte sieben Preisträger. Die Verleihung der Kompositionspreise und die Uraufführungen der Werke finden beim sogenannten Fast-Food-Konzert am Samstag statt. Im Ticketpreis enthalten ist ein Shuttleservice – und natürlich ein Burger. Der künstlerische Leiter Thomas Christoph Heyde über unpassende Konzertorte, Ernährungskategorien bei Künstlern und den musikalischen Umgang mit Fast Food.

kreuzer: Thomas Christoph Heyde, wie unpassend bzw. ungewöhnlich darf ein Konzertort sein?

Thomas Christoph Heyde: Ich muss gestehen, dass wir diesbezüglich einen recht weit gefassten Kunstbegriff haben. Es sind eher viele Rahmenbedingungen, die stimmen müssen, damit ein Konzert an einem ungewöhnlichen Ort möglich wird. Nicht an jedem Platz lässt sich eine mit dem Ort verbundene Thematik künstlerisch durchdringen.

kreuzer: Welche Gedankenspiele brachten dich auf die Fast-Food-Thematik? Und warum finden die Konzerte gerade in dem abseits gelegenen Burger King in Radefeld statt?

Heyde: Die zweite Frage lässt sich leicht beantworten: es war das größte und von den Räumlichkeiten am besten geeignete Lokal. Die erste Frage ist schon etwas komplizierter. Denn auf der einen Seite gibt es natürlich diese Künstlichkeit, diese Massenproduktion. Auf der anderen Seite steht aber u. a. die Tendenz, dass Essen selbst fast zur Kunst und zum Lifestyle deklariert wird. Da das Bewusstsein für Ernährung und die damit verbundenen globalisierten Prozesse in der Gesellschaft durchaus wachsen, war es natürlich spannend, wie Künstlerinnen und Künstler mit diesen Prozessen und Themen umgehen. Und natürlich findet Kunst – das ist ja das Schöne daran – ganz eigene, ungewöhnliche, verstörende, erheiternde Fragen und Antworten. Im Übrigen – das nur nebenbei zum Thema Künstler und Essen – es gibt, zumindest unter männlichen Künstlern, eigentlich nur zwei Ernährungskategorien: Die einen haben wirklich absolut gar keine Ahnung von Essen oder Kochen und die anderen wähnen sich in Geschmack und Kochkunst zumeist schon kurz vor dem ersten Michelin-Stern.

kreuzer: Ein Kompositionswettbewerb zum Thema Fast Food – da stelle ich mir die musikalische Qualität der Einsendungen durchaus heterogen vor.

Heyde: Oh ja, heterogen ist in diesem Fall fast schon zu untertrieben. Die Qualität der 80 Einsendungen zeigte wirklich die komplette Bandbreite; und auch ästhetisch war vom billigen Popsong bis hin zu performativem Trash alles vorhanden.

kreuzer: Das könnte schnell zu affirmativ werden. Funktionieren die Stücke auch an sich oder nur im Zusammenhang mit der sehr speziellen Aufführungssituation?

Heyde: Ich denke wir haben mit den 7 Preisträgern und den drei weiteren Uraufführungen genau jene Stücke ausgewählt, die es auch wert sind an die Öffentlichkeit gebracht zu werden. Ich kann es nicht bei allen Stücken versichern, denke aber, dass gute Kunst auch unabhängig von solch einer speziellen Aufführungssituation substanzielle Aussagekraft hat.

kreuzer: Nach welchen Kriterien wurden die Stücke letztendlich ausgewählt?

Heyde: Nach künstlerischer Qualität und Originalität beim Umgang mit dem Thema. Das kann sich ganz unterschiedlich gestalten: z. B. hat ein Komponist eine Fast-Food-Symphony geschrieben, also das opulente Format einer Sinfonie auf Fast-Food-Länge eingedampft. Ein anderer verwendet als Textgrundlage eine Prophezeiung von Leonardo da Vinci, der sich als überzeugter Vegetarier bereits im 14. Jahrhundert mit dem Fleischgenuss und den Auswirkungen auf Tierhaltung, Schlachtungsmethoden und Lebensqualität beschäftigte. Wiederum andere verbinden – Skurrilität inklusive – das Essen direkt mit dem Musizieren.

kreuzer: Gibt es für Freizeitarbeit eine Schamgrenze? Wo würdest du nie ein Konzert veranstalten?

Heyde: An Orten würde mir da spontan erstmal nichts einfallen, es gibt aber natürlich Grenzen der Pietät. Ich habe auch noch nie so ganz verstanden, warum Kunst einerseits an bestimmten Orten keinen Platz haben darf, wo doch eigentlich unstrittig ist, dass Kunst sich mit allen Bereichen des Lebens auseinandersetzt. Eine Schamgrenze bei den von uns ausgewählten Orten gibt es nur dort, wo jemand auf unsere Programmgestaltung und damit auf die Auseinandersetzung mit Ort und Thema Einfluss nehmen würde – da wäre die Tür sofort zu.


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