Manja Präkels’ »Als ich mit Hitler Schnapspralinen aß«, Steffen Maus »Ungleich vereint«, Dirk Oschmanns »Der Osten: eine westdeutsche Erfindung« – was auch immer von den einzelnen Debattenbeiträagen zu halten ist, sie zeigen doch eins: Der oft wellenförmig verlaufende Ost-West-Diskurs befindet sich mal wieder auf einem Scheitelpunkt. Da scheint es nur folgerichtig, dass auch die nach 1995 geborene Generation – Gen Z – sich Gedanken über ihre zugeschriebene, empfundene und tatsächliche Ostidentität macht.
Zu ihr gehören Lisa Trebs und Vanessa Beyer, die in Sachsen aufgewachsen und erst durch Aufenthalte und Erfahrungen außerhalb Ostdeutschlands auf ihre Ostherkunft aufmerksam geworden sind. An ihrem gemeinsamen Projekt »(K)Einheit« arbeiten »zurzeit alle noch ehrenamtlich, eine Vereinsgründung ist geplant«, so sagt Beyer im Gespräch mit dem kreuzer. Entstanden ist dabei nun eine fünfteilige Seriendokumentation namens »(K)Einheit – Wie die Gen Z über den Osten denkt«, die Menschen zwischen 18 und 25 Jahren aus und in Chemnitz in den Mittelpunkt stellt und sie unkommentiert zu Wort kommen lässt. Trebs und Beyer haben sich bewusst für das Medium Film entschieden, denn »wir wollen Gesichter zeigen«, wie erklärt Beyer erklärt.
Jedem der fünf Teile ist ein Thema überschrieben, wie »Aufwachsen in den 2000ern: Ostdeutsche Sozialisation« oder »Erinnerungskultur: Erzählungen zwischen DDR und Wende«. Eine Motivation für das Projekt sei laut Beyer gewesen, dass sie sich »nicht repräsentiert gefühlt hätten«. Der erste Film der Reihe ist nicht nur von und mit Protagonistinnen und Protagonisten der Gen Z umgesetzt worden, sondern offenbar auch hauptsächlich für diese gemacht: Ohne Exposition geht es direkt in das erste Interview, die Schnittfrequenz wirkt Social-Media-kompatibel, Redebeitrag folgt auf Redebeitrag, dazu werden hier und da recht kurz Infoboxen zu relevanten Schlagwörtern eingeblendet, während allerdings das Interview und damit das gesprochene Wort weiterläuft. Nach einer Weile der Gewöhnung jedoch entwickeln das Tempo und die Dichte durchaus einen Sog, die Interviewten werden vertrauter und die gelegentlich eingestreuten Stadtansichten zeigen bekannte und unbekanntere Orte in Chemnitz. In den Filminterviews wird der von Beyer auch dem kreuzer gegenüber erwähnte »Wunsch nach Austausch und Begegnungsräumen« deutlich, wie auch der innere und äußere Konflikt zwischen Engagement vor Ort und einer möglichen Zukunft woanders. Sammy Geyer, ein Protagonist des Films und Co-Sprecher der Grünen Jugend in Chemnitz, erzählt sehr persönlich und eindrücklich von seinen Erfahrungen, in Chemnitz immer wieder verbal bedroht zu werden und online Morddrohungen zu erhalten. Er mahnt, dass »die Jugend von der Politik oft vernachlässigt wird und Menschen sich alleingelassen fühlen«.«
Im zweiten – zwölfminütigen – Film werden versöhnlichere Töne angeschlagen: Die Interviewten erzählen von Potenzial, Platz, Raum, guten Perspektiven und günstigen Mieten und ja, auch von Heimat und der bewussten Entscheidung für Chemnitz und gegen das Wegziehen. Zudem äußern sie bodenständige Wünsche für die Entwicklung der Stadt, sie setzen viel Hoffnung in das Kulturhauptstadtjahr 2025. Auf die Frage, warum es keine rechten Stimmen in der Doku gibt, antwortet Beyer: »Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, da diese bereits genug Medienpräsenz erhalten.«
Im Rahmen von Filmgesprächen werden die Serienteile gezeigt: Mit geladenen Gästen und dem Publikum können die aufgekommenen Themen besprochen werden. Die Geschichten der Interviewten geben Anlass zum Austausch von Erfahrungen und regen Fragen an. Auch die Konzentration auf jeweils ein übergeordnetes Thema ist geschickt gewählt: So kann die Diskussion im Rahmen gehalten und potenzielle rhetorische Abschweifungen können mit Verweis auf eben das Thema unkompliziert eingefangen werden. Abschließend äußert Beyer gegenüber dem kreuzer, dass sie sich »eine größere Bühne für Ostvielfalt und das Erreichen politischer Entscheidungsträger:innen« wünsche.
> Mehr Infos zur Doku unter www.keinheit.de