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Politik

„Es sind noch viele Mauern zu durchbrechen“

Die Vorsitzende des Migrantenbeirats über ihre schwierige Arbeit und die Probleme Leipziger Migranten

  „Es sind noch viele Mauern zu durchbrechen“ | Die Vorsitzende des Migrantenbeirats über ihre schwierige Arbeit und die Probleme Leipziger Migranten

Der Leipziger Migrantenbeirat vertritt immerhin 8,4 Prozent der Leipziger, denn genau so viele Migranten leben in der Messestadt. Der Beirat mit seinen 16 Mitgliedern kann im Stadtrat Stellungnahmen abgeben, hat Beschlussfassungsrecht, Rede- und Antragsrecht im Stadtrat und ist vor allem dafür da, diesen zu Migrationsthemen zu beraten. So soll die Distanz zwischen Migranten und der städtischen Politik verringert werden.

Die Chilenin Marcela Zúñiga führt den 2009 gegründeten Leipziger Migrantenbeirat. Nach dem Putsch 1973 in Chile floh ihre Familie vor politischer Verfolgung in die DDR. Sie wurde sehr positiv und unbürokratisch aufgenommen. Ihr Vater konnte weiter als Psychiater arbeiten, ihre Mutter machte eine Ausbildung als Physiotherapeutin. Zúñiga erlebte es als bereichernd, dass ihre Eltern arbeiteten, einen geregelten Tagesablauf hatten, sprich »empowered« waren. Viele heutige Migranten in Leipzig seien „disempowered“, sagt sie bedauernd. Deren Schul- und Bildungsabschlüsse würden nicht anerkannt, sie seien über Jahre hinweg zur Untätigkeit gezwungen. 1984 ging Zúñigas Vater nach Chile zurück, 1986 folgte auch sie mit ihrer Mutter. Seit fünf Jahren ist Marcela Zúñiga wieder zurück in Deutschland. Auch, weil sie die Vielfalt Leipzigs in Chile vermisste. Heute arbeitet sie als Sozialpädagogin und hat ein eigenes Institut für psychosoziale Gesundheit, ihre im Ausland erworbene Qualifikation wurde letztlich anerkannt.

Der Leipziger Migrantenbeirat, dessen Vorsitzende sie ist, vertritt die Leipziger Migranten, die 8,4 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Von diesen Migranten haben 26969 den Status von Ausländern, 15290 sind Deutsche mit Migrationshintergrund. Der Migrantenbeirat besteht aus 16 Mitgliedern unterschiedlicher Nationen und fünf Fraktionen. Er kann Stellungnahmen abgeben, hat Stadtratbeschlussfassungsrecht, Rede- und Antragsrecht im Stadtrat. »Der Beirat ist auch dafür da, den Stadtrat zu Migrations-Themen zu beraten«, erklärt Zúñiga. Ein Ziel ist es, die gefühlte Distanz zwischen Migranten und politischen Machtstrukturen zu verringern. »Es ist oft so, dass man sich ganz weit weg fühlt von dieser Machtstruktur, von dieser Entscheidungsebene«, sagt Zúñiga. Die 41-Jährige spricht sich für Sprach- und Integrationsmittler aus, die beispielsweise Migrantenfamilien, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, zum Arzt begleiten oder in der Jugendhilfe mit Migrantenfamilien arbeiten und die Kommunikation gewährleisten. Dadurch werde jedoch nicht die Abhängigkeit gefördert oder das Erlernen der deutschen Sprache verhindert, sondern die Gleichbehandlung und der Zugang zu Leistungen sichergestellt. Sprachmittler könnten in einer 18-monatigen Ausbildung im Bereich Jugendhilfe und interkultureller Kommunikation geschult und über eine Zentrale in der Stadt vermittelt werden.

In den Medien würden die Migranten häufig stigmatisiert und als Problem dargestellt, als Kriminelle, Arbeitslose und solche, die den Staat ausnutzen wollen. Dieser negativen Wahrnehmung der Migranten als defizitär stellt Zúñiga deren positives Potential gegenüber. Mehrsprachigkeit und berufliche Erfahrungen seien beispielsweise Schätze, mit denen sie die Gesellschaft bereichern.

Zúñiga spricht sich dafür aus, den Migranten die Einbürgerung und das Erlangen der deutschen Staatsbürgerschaft zu erleichtern. Sie selbst ist Chilenin, hat somit auch kein Wahlrecht in Deutschland aber auch keines in Chile. »Wenn ich mich einbürgern lassen wollte, müsste ich auf meine chilenische Nationalität verzichten«, sagt sie. Zwischen Chile und Deutschland gebe es keine Vereinbarungen, die eine doppelte Staatsbürgerschaft möglich machen würden.

»Was Unmut unter den Migranten hervorrief, war, dass der Migrantenbeirat nicht von den Migranten selbst, sondern vom Stadtrat gewählt wurde«, erklärt Zúñiga. Dies habe bei den Migranten, die sich politische Teilhabe wünschten, zur Ernüchterung geführt. Hoffnung könnte ihnen Marcela Zúñigas Beispiel einer gelungenen Integration machen.


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