»Pause the Pulse – Portrait of Accra« heißt die Austellung, die noch bis Mitte Januar auf dem Gelände der Baumwollspinnerei zu sehen ist. In siebzig Arbeiten, die größtenteils einzig für diese Schau entstanden sind, wird der Blick auf den Schmelztiegel Accra und die Gegensätze der afrikanischen Metropole gerichtet. Die Kunst in Ghana hat einen schweren Stand, auch das zeigt die Ausstellung, die vor allem mit den stereotypen Vorstellungen von afrikanischer Kunst brechen will.
»Erlebe den Traum«, lockt Trasacco Valley seine potenziellen Mieter. Unter einem Banner lächelt ein ghanaisches Pärchen Mitte 30 tragikomisch von der Plakatwand. Trasacco Valley heißt eine Wohnsiedlung für Bestverdiener in Accra, der Hauptstadt Ghanas. Die Zielgruppe ist überschaubar: Armut gehört zu den meistbekämpften Problemen in der Stadt.
Doch obwohl die schönen Lebensaussichten für einige wenige reserviert sind, kommen jedes Jahr neue Flüchtlinge nach Accra. Denn anders als in weiten Teilen des Landes gibt es dort wenigstens ein Krankenhaus, und man kann die Autoscheiben der reichen Mieter von Trasacco Valley putzen. Trotz solch extremer Gegensätze geht es unter den zwei Millionen Einwohnern in der Regel friedlich zu: Man lebt nebeneinanderher, getrennt durch übermannshohe Zäune zwischen Armen und Reichen. Weit außerhalb des Fokus von Kommunalpolitik und städtischer Armutsbekämpfung liegen die Kunstschaffenden. Ihre Arbeiten haben weder einen Stellenwert im Parteiensystem, noch gibt es Förderer für sie. Kunst wird in Ghana immer noch als Instrument der Politik verstanden und deshalb ignoriert. Accras Künstler agieren folglich seit Jahren im Untergrund. 2008 beschließt das Goethe-Institut in Ghana zusammen mit der Alliance Française Accra, an diesem Zustand etwas zu ändern.
Sie organisieren eine Tagung zum Thema »Accra auf dem Weg zur Kulturstadt?«. Unter den vierzig Teilnehmern ist auch Frank Motz, künstlerischer Leiter der Halle 14. Ein Ergebnis der Tagung ist die Gruppenausstellung »Pause the Pulse – Portrait of Accra«, die derzeit in der Halle 14 zu sehen ist. Als Gegenstück zum kulturpolitischen Desinteresse, das sie in ihrer Heimatstadt erfahren, haben zehn ghanaische Künstler und zwei deutsche Gäste die Möglichkeit bekommen, frei zu reflektieren und Kunst zu schaffen, ohne dabei parteipolitische Ziele verfolgen oder für ihre Präsentationsfläche zahlen zu müssen.
In siebzig Arbeiten, die größtenteils einzig für »Pause the pulse« entstanden sind, öffnet die Ausstellung den Blick auf den Schmelztiegel Accra, und sie tut das lebensnah. Frank Motz und der in Accra lebende Fotograf, Maler und Bildhauer Kofi Setordji verfolgen als Kuratoren der Ausstellung unter anderem das Ziel, für ghanaische Künstler Verbindungen nach Deutschland aufzubauen. Außerdem sind sie angetreten, stereotype Vorstellungen von afrikanischer Kunst aufzubrechen. Setordji ist in der Künstlergemeinde Accra sehr angesehen, bietet ein privat finanziertes Atelierprogramm an und besitzt eine eigene Druckwerkstatt am Stadtrand. Sein Traum ist es, ein ghanaisches Gegenwartsmuseum zu bauen.
Vielleicht sind es die Arbeiten der 28-jährigen Installationskünstlerin Jennifer Opare-Ankrah, die darin einen Platz finden würden. Sie widmet sich in ihren Werken den weggeworfenen Dingen in Accra. Inspiriert wurde sie aber nicht, wie so viele, durch den künstlerischen Evergreen der Globalisierung, sondern durch die leuchtenden Augen von Schrottverkäufern: das Glitzern in ihnen, wenn sie einen Kunden erahnen, die Geradlinigkeit des Blicks während des Verkaufs, die Bereitschaft, alles zu geben, um am Abend ein Essen in den Bauch zu bekommen. Im Ausstellungsraum geht dieser Gedanke der Arbeit leider unter. Ein Informationsblatt zur Ausstellung, das Aufschluss geben könnte, liegt als Kopie nur am Eingang des Kunstraums aus.
Der Fotokünstler Nii Obodai hält in seinen Bildern fest, was passiert, wenn zwei unterschiedliche Glaubensrichtungen aufeinandertreffen. Sein Sujet ist eine Glaubensgemeinschaft, die sich Zetaheal nennt und aus Christen und Muslimen besteht. In einem Tempel in Accra beten sie regelmäßig zusammen für ihre geistige Führerin Comfort Narh. Seitdem ihr vor 30 Jahren ein Engel erschienen ist, will Narh die beiden Religionen zusammenführen. Im zweiten Raum der Ausstellung hängen Obodais schwarz-weiße Fotografien in Serie an der Wand. Ohne Vorkenntnis über die Zetaheal wirken seine Arbeiten sehr dokumentarisch. Dabei geht es Obodai aber primär darum, den Esprit dieser religiösen Verbindung in seinen lichtgleißenden Aufnahmen einzufangen.
Um sich mit den Künstlern und ihren Kon-zepten vertraut zu machen, sei den Besuchern eine Führung durch die Ausstellung ans Herz gelegt. Nur auf diese Weise kann das Publikum, das über kein Vorwissen verfügt, in »Pause the pulse« seine stereotypen Vorstellungen über afrikanische Kunst auch wirklich beiseitelegen. Gelingt das, sieht man nicht nur Jennifer Opare-Ankrahs Arbeiten, ihre Werke aus Müll und weggeworfenen Dingen, mit anderen Augen.