Das Traumpaar aus Kommunalpolitik und Kulturfinanzierung kann sich auf die mangelnde Solidarität unter den Kulturschaffenden verlassen. Weil jeder denkt und hofft, die Kürzungen werden schon nicht seine Institution, nicht sein Projekt treffen, sondern vielleicht erst einmal irgendjemand anderen. Ein Kommentar von Claudius Niessen zu den Problemen unserer städtischen Kulturbetriebe.
Neulich habe ich diesen Film gesehen. Mit Leonardo DiCaprio. Er spielt da einen Dieb, der in den Träumen der Leute herumläuft und versucht, ihnen ihre Geheimnisse zu klauen. Ja genau, im Traum macht er das. Also quasi im Schlaf. Das ist aber kein Job für passionierte Langschläfer: Denn wenn etwas schiefläuft, muss er schnell aufwachen. Und wer im Traum erschossen wird, wacht auch auf. Praktische Sache, das.
Manchmal weiß ich nicht, was besser ist: Sich zu wünschen, aus der Realität einfach aufwachen zu können wie aus einem Albtraum – oder aber die Augen vor der Realität einfach ganz besonders fest zu verschließen. Richtig ist: Die Stadt Leipzig gibt bundesweit und gerechnet pro Einwohner mehr für Kultur aus als die meisten anderen deutschen Städte. Richtig ist auch: Um das vielfältige Kulturangebot in Leipzig nachhaltig zu sichern, reicht dieses Geld nicht aus. Richtig ist außerdem: Größer als alle Schlaglöcher nach diesem Winter ist und bleibt das Loch im städtischen Haushalt. Und das lässt sich auch nicht provisorisch mit Kaltasphalt stopfen.
Die Frage für die Leipziger Kultur heißt also: Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Und Verwaltung und Lokalpolitik fragen sich, wem nur sollen wir wie viel geben? Und hören dabei auf den Gängen schon die hungrigen Kulturschaffenden, wie sie an den Rathaustüren scharren. Denn drinnen wie draußen wissen alle Beteiligten: Das Geld reicht hinten und vorn nicht.
Man könnte hingehen und von dem Geld, das eh nicht für alle reicht, jedem ein bisschen was geben: Das ist ein ebenso beliebtes wie gefährliches Prinzip, weil man so zwar beispielsweise den Betrieb eines Museums sicherstellen kann, mehr dann aber wirklich nicht drin ist. Da fehlt dann das Geld für die Museumspädagogen oder dafür, einmal richtig die Werbetrommel zu rühren, damit die Leute auch wissen, dass es sich vielleicht mal lohnen könnte, ins Museum zu gehen.
Irgendwann kommt dann jemand und beschwert sich, dass ein vergleichbares Museum in einer anderen Stadt ja viel erfolgreicher arbeite, viel mehr Ausstellungen zeige und viel mehr Besucher anlocke. Und schwupps steht die Frage im Raum, warum wir hier eigentlich all das schöne Geld ausgeben, wo doch die Erfolge ausbleiben. So lässt sich die Kulturlandschaft nach und nach prima erodieren.
Auch, weil jeder denkt und hofft, es werde schon nicht seine Institution, nicht sein Projekt treffen, sondern vielleicht erst einmal irgendjemand anderen. Das ist noch so ein Problem in der Kultur: Neben dem fehlenden Geld ist es die fehlende Solidarität unter den Kulturschaffenden. Das Thema Zusammenhalt ist viel unterbelichteter, als wir uns das alle gerne eingestehen.
Und genau das macht die Kulturszene so verwundbar für Eingriffe und Einsparungen. Bevor man uns mit dem Skalpell traktiert, sollten wir lieber selbst einen alternativen Behandlungsplan aufstellen. Aber dazu müssen wir aufwachen und feststellen, dass wir alle gerade den gleichen Traum geträumt haben. So schwer kann das doch nicht sein.