Die normalerweise so energiegeladene Kristin Dittrich: Mitte Januar sitzt die Leiterin des Fotofestivals F/Stop mit ihrem Verein bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im Festivalbüro zusammen. Eher kraftlos als energisch fordert sie die Vereinsmitglieder zur Diskussion darüber auf, ob es 2011 eine Fortsetzung des Festivals geben soll. Sie ist dafür, dann wird abgestimmt. Dittrichs Vorschlag bekommt eine Ja-Stimme – von ihr selbst.
Die normalerweise so energiegeladene Kristin Dittrich: Mitte Januar sitzt die Leiterin des Fotofestivals F/Stop mit ihrem Verein bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im Festivalbüro zusammen. Eher kraftlos als energisch fordert sie die Vereinsmitglieder zur Diskussion darüber auf, ob es 2011 eine Fortsetzung des Festivals geben soll. Sie ist dafür, dann wird abgestimmt. Dittrichs Vorschlag bekommt eine Ja-Stimme – von ihr selbst.
Viereinhalb Jahre nachdem das erste F/Stop-Festival zeitgenössische künstlerische Fotografie aufs Spinnerei-Gelände holte, hat Kristin Dittrich nur noch wenige Unterstützer hinter sich, kaum eine Sponsorenzusage und von der Stadt die Absage für eine Förderung des Festivals. Die früheren Unterstützer, Mitarbeiter und Geldgeber reiben sich an Dittrichs Umgang mit Künstlern und Team sowie an ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit.
Man wirft Dittrich zweierlei vor. Der erste Vorwurf: Sie verschleiße Menschen. Wenig diplomatisch sagt beispielsweise Kulturamtsleiterin Susanne Kucharski-Huniat: »Sie hinterlässt durch ihren speziellen Umgang mit Menschen verbrannte Erde.« Dabei ist Dittrichs Energie wahrscheinlich die wichtigste Voraussetzung gewesen, um F/Stop aus dem Nichts auf die Füße zu stellen. Das erkennen auch ehemalige Mitstreiter an. Die andere Seite aber: Fast nach jedem Festival musste sie sich neue Mitarbeiter suchen.
Im letzten Jahr vertrieb Dittrichs als eigenmächtig und rücksichtslos beschriebener Führungsstil gleich eine ganze Reihe von Partnern. Auf den entnervten Rückzug einer HGB-Fachklasse samt eigenem Kurator reagierte sie im letzten Sommer mit Beleidigungen und Drohungen. Und als das Professorenkollegium der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) unlängst über eine Kooperation mit Dittrich beriet, winkten alle ab.
Felix Hoffmann, Kurator beim renommierten Fotografieausstellungshaus C/O Berlin sieht die Idee eines Leipziger Fotofestivals zwar grundsätzlich positiv, hatte aber von Anfang an empfohlen, F/Stop lieber in einem zwei- bis dreijährigen Rhythmus stattfinden zu lassen, anstatt Geld und Engagement aller Beteiligten jährlich in ausgereiften Ausstellungen zu verbrennen. Dass die fehlende Unterstützung auch außerhalb Leipzigs registriert wird, zeigt das Statement der Redakteurin einer überregionalen Zeitschrift: »Mehr und mehr Leute sagen mit Inbrunst, mit der will ich nichts mehr zu tun haben.«
Der zweite Vorwurf gegen Dittrich lautet Selbstüberschätzung. Als das Kulturamt das Festival dieses Jahr von seiner Förderliste strich, hieß eine Begründung: »Die Eigenwahrnehmung des Festivals als Avantgarde wird von den Experten nicht geteilt.« Vielleicht lässt sich das System Dittrich als eine Art Schneeballsystem von Behauptungen beschreiben. Ein Superlativ muss den nächsten stützen, eine Behauptung eingelöst werden, damit die nächste aufgestellt werden kann. Im Dezember schrieb Dittrich einen Brief an die Spinnerei-Galeristen, in dem sie fürs kommende Festival um Kooperationsbereitschaft bittet.
Im Brief führte sie auch eine »Absprache mit dem wunderbaren Kollegen Christoph Tannert« an, der die Ende Februar öffnende Ausstellung »Leipzig. Fotografie seit 1839« kuratiert hat. Nur weiß Tannert davon nichts: »Es gibt meinerseits keine Absprache mit ihr. Dass Dittrich unautorisiert mit Namen hofieren geht, halte ich für eine verletzende Taktik.« Die nächste Flanke, in die Dittrichs Kritiker stoßen: Im September eröffnete sie in der Gohliser Menckestraße eine eigene Galerie (kreuzer 12/10) für künstlerische Fotografie. Die Kritiker monieren, sie nutze Renommee und Infrastruktur des Festivals – das in Teilen aus öffentlichen Mitteln finanziert wird –, um private Gewinne einzufahren. Dittrich kontert, die Galerie diene ihr als »Brücke zwischen den Festivals«.
Alles nur eine Stilfrage? Wohl nicht in einem Bereich, in dem alle Beteiligten auf Kooperationen angewiesen sind und Reputation eine harte Währung im Werben um Sponsoren und Aufmerksamkeit ist. Einige Vereinsmitglieder berichten, dass es inzwischen einen regelrechten Boykott des Festivals gebe. Ein Mitstreiter sagt: »Es gehen eher fünf Türen zu, als dass sich eine öffnet.« Dittrich selbst äußert, sie sei sich bewusst darüber, das Festival in den letzten Jahren »wie eine kleine Firma und nicht wie einen Verein« geführt zu haben. »Ich wollte es anpacken, mit guten Ideen, Geschick und wenig Budget.«
Bis 2011, hat Dittrich gesagt, wolle sie ihr Ziel erreichen, dem Festival ein ganzjährig arbeitendes Zentrum für zeitgenössische Fotografie an die Seite zu stellen. Erreiche sie ihr Ziel nicht, würde sie darüber nachdenken, das Festival nicht weiterzuführen. Das hat Mitte Januar ihr Verein für sie entschieden.