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Kultur

Tanz intim

Neue Ballett-Reihe in der Oper schafft ungeahnte Nähe

  Tanz intim | Neue Ballett-Reihe in der Oper schafft ungeahnte Nähe

Das Team um Leipzigs neuen Chefchoreografen Mario Schröder setzt mit der neuen Reihe »Blue Monday« auf die unmittelbare Begegnung zwischen Tänzern und Zuschauern. Natürlich wohl wissend, dass so viel zwischenmenschlicher Kontakt beim Publikum jene Bindung schafft, die eine von der Allgemeinheit getragene Company braucht, um sich legitimieren zu können. Am Montag um 18 Uhr kann man dieses Experiment wieder hautnah erleben.

Abstand relativiert vieles. Anstrengung zum Beispiel. Einem Tänzer aus zwanzig Metern Entfernung bei der Ausübung seines Berufs zuzuschauen ist ein ziemlich harmloses Vergnügen. Das ändert sich, wenn der Abstand nur noch fünf Meter beträgt und der Zuschauer zum Zuhörer wird, der ab der zweiten Minute das zunehmend schwerer werdende Keuchen des Atems und das gelegentliche, trockene Knacken der Gelenke vernimmt. Und auch die Augen nehmen auf diese kurze Distanz plötzlich Anderes wahr: den roten Kopf, den Schweiß, der sich von der Stirn abwärts ausbreitet, das Zittern der Muskeln, die ganze Zerbrechlichkeit des nun gar nicht mehr so unbezwinglich wirkenden Tänzerkörpers. Das ist ernüchternd und berührend zugleich.

Das Team um Leipzigs neuen Chefchoreografen Mario Schröder setzt mit der neuen Reihe »Blue Monday« auf die unmittelbare Begegnung im Ballettsaal zwischen den Tänzern des Ensembles und den Zuschauern. Natürlich wohl wissend, dass so viel zwischenmenschlicher Kontakt beim Publikum jene Bindung schafft, die eine von der Allgemeinheit getragene Company braucht, um sich legitimieren zu können. Aber egal, von so einem Abend profitieren am Ende alle: die Zuschauer, die auf Tuchfühlung gehen können mit den von ihnen bewunderten Tänzern, und die Tänzer, denen so viel Interesse und Zuspruch jenseits der großen Bühne nur schmeicheln kann.

Ende Januar, beim ersten, gut besuchten »Blue Monday« zeigte Robert Phillips (Großbritannien), dass in manchem Tänzer des Ensembles auch ein Choreograf steckt. Er schrieb vier seiner Kollegen Schritte auf den Leib. Heraus kamen drei kurze Stücke, die sich bewegten zwischen einem introvertierten, um sich selbst kreisenden Solo (Bogdan Muresan, Rumänien) über ein sich einander zart annäherndes Pas des deux (Henrietta Phelps, Australien und Shota Inoue, Japan) bis hin zum schon schmerzhaft expressiven Solo (Alexander Teutscher, Österreich).

Der Abend hinter den Kulissen zeigte sympathisch die multikulturelle Ausrichtung des Leipziger Balletts und die unterschiedlichen Temperamente der einzelnen Tänzer. Bei der abschließenden Fragerunde kristallisiert sich dann noch ein etwas überraschendes gemeinsames Merkmal heraus: Beinahe alle hätten ohne das Drängen ihrer Mütter nicht den ersten Schritt zum Ballett getan und kamen erst im Laufe der Jahre an den Punkt, an dem sie das Tanzen lieben lernten. Zum Glück für das Leipziger Publikum.


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