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»Dagegen! Darum! Scheiß-Kapitalismus!«

Seit der Katastrophe von Fukushima protestieren auch in Leipzig immer mehr Menschen gegen Atomkraft

  »Dagegen! Darum! Scheiß-Kapitalismus!« | Seit der Katastrophe von Fukushima protestieren auch in Leipzig immer mehr Menschen gegen Atomkraft

In Leipzig wird derzeit jeden Montag gegen AKWs protestiert, die Leipziger CDU aber hält an ihrem Atom-Kurs fest: Kernenergie ist und bleibt Brückentechnologie, da sonst »erst die Nordsee mit Windrädern zugebaut, die Sahara mit Sonnenkollektoren zugepflastert und 3.000 Kilometer neue Stromtrassen gebaut werden müssen, ehe wir die große Wende zu den Erneuerbaren schaffen«. Das sehen die Atomkraftgegner naturgemäß anders – und demonstrieren weiter gegen die Energiekonzepte der Politik und der Stromlobbyisten.

Fukushima ist überall, auch in Leipzig. Während buchstäblich am anderen Ende der Welt Reaktoren havarieren und Radioaktivität verbreiten, ist die Situation hierzulande unbedenklich. Auch für die Zukunft, denn in Sachsen, ja, dem ganzen Osten der Republik stehen keine Atomkraftwerke und der Gefährdungsatlas der Deutschen Umweltstiftung zeigt, dass selbst im Falle eines GAUs in einem deutschen AKW Leipzig einer der sichersten Orte wäre.

Dennoch zieht es Hunderte von Leipzigern jeden Montag zur Mahnwache auf dem Augustusplatz. Von Beginn an stand dabei nicht nur das Mitleid mit den Opfern der beiden Naturkatastrophen, sondern auch die Frage nach der friedlichen Nutzung der Kernenergie im Vordergrund, so dass gleich zur zweiten Mahnwache auch eine entsprechende Demonstration angemeldet wurde, an der rund 500 Menschen teilnahmen. Auch Kinder, teilweise mit selbst gebastelten Plakaten oder mit Papierkranichen ausgestattet, beteiligten sich zahlreich an den Montags-Aktionen.

Dauerredner bei den Leipziger Mahnwachen ist Jürgen Kasek, Vertreter des Bündnis gegen Atomkraft Leipzig (BGAL). Hinter einem schwarz-gelben Plakat mit einem strahlenden Totenkopf und der Aufschrift »Atomkraft abschalten!« informiert er montäglich über den aktuellen Stand der Dinge in Fukushima. Die Angst der Menschen ist offensichtlich und Leipzig liegt – das haben die Großdemonstrationen im März gezeigt – damit im Trend, obwohl es hier, im Gegensatz zu Westdeutschland, keine nennenswerte Atomprotest-Tradition gibt. Auch der konkrete Anlass in Sachsen fehlt, sieht man einmal von der Wismut-Frage und dem stillgelegten Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden ab. Von dort fährt jetzt ab und an mal ein Castor, wenn auch nicht durch den Kopfbahnhof Leipzig, aber immerhin durch Sachsen. Wenig Betroffenheitspotenzial eigentlich.

Das sieht die Politik nicht anders. Bei den Leipziger CDU-Bundestags-Abgeordneten Thomas Feist und Bettina Kudla war die Zustimmung zur Laufzeitverlängerung im Herbst 2010 eben eine reine Formsache und ging nicht nur zu Lasten einer weltweit sauberen Umwelt, sondern belastete gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit der Leipziger Stadtwerke. Deren Wettbewerbssituation nämlich hatte sich durch die Konkurrenz des billigen Atomstroms, der nun länger durch deutsche Stromnetze sprudeln sollte, nicht gerade verbessert. Bereits getätigte Investitionen in moderne Bio-Gasturbi-nenkraftwerke drohten sich nicht länger zu rentieren.

Dem kreuzer gegenüber betont Feist die Notwendigkeit der Kernenergie als Brückentechnologie, da sonst »erst die Nordsee mit Windrädern zugebaut, die Sahara mit Sonnenkollektoren zugepflastert und 3.000 Kilometer neue Stromtrassen gebaut werden müssen, ehe wir die große Wende zu den Erneuerbaren schaffen«. Diese Möglichkeit aber hat für ihn nichts mit der Realität zu tun, genauso wenig wie ein sofortiger Atom-Ausstieg, den er erst in ferner Zukunft für umsetzbar hält.

Damit bleibt Feist auf jener klaren CDU-Linie, wie sie auch im mittlerweile gefledderten Atom- und Energiekonzept der Bundesregierung eingemeißelt worden war – vor Fukushima. Den meisten Leipziger Atomkraftgegnern unterstellt Feist fehlende Sachkenntnis. Sie agieren, so der Abgeordnete, frei nach der Parole: »Dagegen! Darum! Scheiß-Kapitalismus!« Wenn man dann allerdings an die möglichen Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima denkt, bleibt die Frage offen, ob es hier um bloße Kapitalismuskritik geht.

Eine passende Anti-Atom-Demo-Fotogalerie haben wir hier zusammengestellt.

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