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Kultur

»Joschka und Herr Fischer«

Interview mit Pepe Danquart zum Porträtfilm über den ehemaligen Außenminister

  »Joschka und Herr Fischer« | Interview mit Pepe Danquart zum Porträtfilm über den ehemaligen Außenminister

Pepe Danquart gehört zu den Mitbegründern der Medienwerkstatt Freiburg, wo er zwischen 1978-91 an über dreißig Filmprojekten beteiligt war. Seitdem arbeitet er in Berlin und hat 1994 für »Schwarzfahrer« den Oscar für den besten Kurzfilm bekommen. Es folgten unzählige Dokumentarfilme, nun hat er sich in »Joschka und Herr Fischer« den ehemaligen Außenminister vorgenommen. Ein Porträt über den Mitbegründer der »Grünen« Joschka Fischer, das er zur Zeitreise durch 60 Jahre bundesrepublikanischer Geschichte weitet.

kreuzer: Sie haben sich in den letzten Jahren vor allem als Sportfilmer einen Namen gemacht. Was hat Sie nun zu dieser politischen Biografie angetrieben?

PEPE DANQUART: Ich komme vom politischen Film. Nach den drei Sportfilmen wollte ich wieder an das anknüpfen, was ich früher in der »Medienwerkstatt Freiburg« oder in Filmen wie »Nach Saison« gemacht habe. »Joschka und Herr Fischer« ist auch sehr stark durch meinen eigenen politischen Lebenslauf motiviert.

kreuzer: In Ihrem Film rollen Sie die Geschichte der Linken in der Bundesrepublik neu auf. Warum war Joschka Fischer dafür der ideale Protagonist?

DANQUART: Ich wollte die Geschichte der Linken anhand der kritischsten Figur der Linken aufarbeiten. Das ist für einen Filmemacher sehr viel interessanter als irgendein strahlender Held, der keine Widersprüche in sich trägt. Da war Fischers Biografie der ausschlaggebende Punkt: das Aussiedlerkind, das in der schwäbischen Provinz in einem rechten Umfeld aufgewachsen ist, in die Popkultur der 60er Jahre hineinwuchs, sich politisch konsequent radikalisierte und dann 1977 nach der Ermordung von Hanns Martin Schleyer einen ganz anderen Weg einschlug. Man kann zu Fischer stehen, wie man will, aber diese Biografie bietet einen einmaligen Leitfaden durch ein wichtiges Stück bundesrepublikanischer Geschichte.

kreuzer: Wie schwer war es, Fischer für dieses Projekt zu gewinnen?

DANQUART: Bei unserem ersten Treffen hat der Sponti in ihm den Sponti in mir entdeckt. Er vertraute mir, weil ich zur politischen Familie gehörte.

kreuzer: Wodurch wurde dieses Lebensgefühl des Spontis bestimmt?

DANQUART: Fischer sagt im Film: »Das Sponti-Leben zeichnete sich durch ein hohes Maß an Freiheit aus. Passte es mir nicht – tschüss!« Das war eine freie und selbstbestimmte Existenz, die man damals in den 60er und 70er Jahren führte. Man lebte einfach drauf los, suchte nach politischen und gesellschaftlichen Alternativen jenseits von Kapitalismus und Kommunismus. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Kämpfe sehr viel mehr als Adenauer und das Wirtschaftswunder dazu beigetragen haben, dass wir uns von der schrecklichen Vergangenheit des Nationalsozialismus loslösen konnten. Ohne diese Auseinandersetzungen wäre dieses Land nicht so entspannt, wie es heute ist.

kreuzer: Ist dieser Film für Sie auch eine Form von alternativem Geschichtsunterricht?

DANQUART: Wenn man den Film jüngeren Leuten zeigt, ist das für die oft ein ungeheures Aha-Erlebnis. Die kennen Fischer nur als Außenminister und von der Zeit davor wissen sie gar nichts. Die fragen »Wer ist denn der dicke Mann da?«, wenn Franz Josef Strauss ins Bild kommt. Mir geht es um eine andere Bewertung der Geschichte jener Zeit. Ich will die Generation der Achtundsechziger anders definieren, als es Aust und Eichinger in »Der Baader Meinhof Komplex« getan haben, und vor allem die emotionalen Entwicklungen in diesen zwei Jahrzehnten beschreiben.

kreuzer: Joschka Fischer ist ein mit allen Wassern gewaschener Politiker. Wie bekommt man aus einem solchen Medienprofi vor der Kamera noch etwas Unmittelbares heraus?

DANQUART: Joschka Fischer ist ein kluger Kopfmensch, aber ich habe gemerkt, dass ihn die Konfrontation mit Bildern aus seiner Vergangenheit sehr berührt. Deshalb wollte ich ihn mit Bildern in seine eigene Geschichte hineinversetzen. So kam die Idee zustande, ihn in diese Fabrikhalle zwischen Monitore zu stellen, auf denen Filmausschnitte aus seiner Biografie gezeigt wurden. Er hatte keine Ahnung, was da auf ihn zukommt. Die Bilder sah er im Moment des Drehens zum ersten Mal. Anfangs war er noch zögerlich, aber dann hat er sich hineinfallen lassen. Wenn er etwa die Bilder von Hanns Martin Schleyer kommentiert, merkt man physisch wie ihn das damals berührt hat. Ich hatte mir sehr genau überlegt, was in diesen Projektion zu sehen sein soll und über zwei Jahre lang Archivmaterial gesichtet.

kreuzer: Könnten Sie sich auch vorstellen, einen solchen Film über einen Politiker aus dem rechten Lager zu machen? Es gibt ja viele Filmemacher, die sich an Ihren politischen Gegnern abarbeiten.

DANQUART: Nein, das ist nicht mein Ding. Alle meine Filme stehen dafür, dass eine gewisse Form von Nähe zwischen dem Regisseur und den Protagonisten existiert. Meine Filme basieren auf einem Vertrauen, das den Protagonisten ermöglicht, mir etwas zu zeigen, was sie anderen nicht zeigen würden. Das ist ein Geben und Nehmen. Aber das heißt nicht, dass man als Regisseur affirmativ und unkritisch gegenüber seinen Protagonisten wird.

kreuzer: Wodurch unterscheidet sich Joschka Fischer von der heutigen Politikergeneration?

DANQUART: Joschka Fischer ist immer eine umstrittene Figur gewesen, aber er war ein Politiker mit Courage. Sein Selbstwertgefühl hat zu Entscheidungen geführt, die er aus tiefer menschlicher Überzeugung getroffen hat. Dazu gehört die Absage an die Amerikaner zum Irakkrieg genauso wie die Verhinderung des Völkermordes im Kosovo durch den Einsatz von Bundeswehrsoldaten. Wenn man Außenminister ist, gehen einem die ganzen gesellschaftlichen Widersprüche durch den Körper. Das muss man aushalten, da kann man nicht jammern. Fischer hat das, was er getan hat, immer konsequent und voller Überzeugung gemacht. Solche Politiker gibt es heute nur noch wenige.


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