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Kultur

Verloren im Leben

Terrence Malicks bildgewaltiger Film »The Tree of Life« spürt existentiellen Fragen nach - gibt aber nur verschlüsselte Antworten

  Verloren im Leben | Terrence Malicks bildgewaltiger Film »The Tree of Life« spürt existentiellen Fragen nach - gibt aber nur verschlüsselte Antworten

Ein irritierender, ein eigenartiger Film. »The Tree of Life« kreist um eine gottesfürchtige, amerikanische Mittelstandsfamilie in den 1950ern und 60ern. Der Vater (Brad Pitt) ist rationaler Geschäftsmann und autoritärer Patriarch, der seinen Kindern gegenüber streng und distanziert auftritt – ganz im Gegensatz zur Mutter (Jessica Chastain), einer liebevollen und sensiblen Frau.

Gleich zu Beginn des Films ereilt die Eltern die Nachricht vom Tode einer ihrer Söhne. Welcher der drei, wie oder wann er gestorben ist, erfährt man zunächst nicht, da Terrence Malicks neuer Film sich erzählerischen Konventionen entzieht. Stattdessen versucht der Regisseur, die Gefühlslage der beteiligten Personen in Bildern auszudrücken: Zwischensequenzen aus Rauch und Licht, die Geburt von Galaxien, leinwandfüllende Mikrokosmen, Wasser und Feuer. Minutenlang. Sehr schöne, aber auch völlig handlungsbefreite Bilder sind das, unterlegt mit klassischer Musik und gedreht von einem Meister seines Fachs: Douglas Trumbull, der schon für die Special Effects in Stanley Kubricks Meisterwerk »2001: Odyssee im Weltraum« verantwortlich zeichnete.

Dann plötzlich ein Sprung in der Zeit: Jack, der älteste Sohn, als erwachsener Mann (Sean Penn), wie er verloren und ziellos durch sein Leben geht. Scheinbar auf der Suche, vielleicht nach den Antworten auf die großen existentiellen Fragen. Denn darum scheint es Malick zu gehen: Er nimmt das Leben einer Familie als Ansatz für eine Betrachtung über das Leben selbst – und zwangsläufig auch über den Tod.

Der Erzählstil ist unruhig und episodenhaft. Da werden aus dem Kontext gerissene Augenblicke aneinandergereiht, und immer wieder gibt es nicht verortbare Detaileinstellungen – etwa eine Hand, die nach einer anderen greift –, die in einem Bild mehr sagen als viele Worte. Malicks Film kommt mit erstaunlich wenig Dialogen aus, es herrscht eine fast bedrückende Sprachlosigkeit. Stattdessen sind immer wieder geflüsterte, gebetsartige Monologe aus dem Off zu hören, und immer wieder unterbricht Malick die zaghaften Ansätze von Handlung mit Trumbulls Bildern, diesen nonverbalen Aphorismen. Es ist ein eigenartiger Film.

»The Tree of Life« ist erst der fünfte Film in der fast 40 Jahre andauernden Karriere von Terrence Malick. Die Goldenen Palme hat er dem amerikanischen Filmemacher bereits beschert. Inwieweit dem Film zukünftige Ehren zuteil werden und ob er irgendwann einen Kultstatus wie etwa Kubricks »2001« erreichen wird, mit dem man ihn trotz des grundverschiedenen Sujets durchaus vergleichen kann, wird die Zeit und auch mehrmaliges Sehen zeigen. Denn der Film wirft viele Fragen auf, die er – wenn überhaupt – nur verschlüsselt beantwortet. Und in diesen Antworten liegt doch der entscheidende Unterschied zwischen einem Philosophieren in Bildern und schön anzusehender Effekthascherei.


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