Das Spiel Roter Stern Leipzig gegen SG Leipzig Leutzsch war sportlich klar entschieden. Für Aufregung sorgten, wie schon im Vorfeld, Provokationen der Fans, die im Stadion antisemitische Parolen riefen.
Die Spielvereinigung Leipzig Leutzsch gewann das Pokalspiel am Sonntag gegen den Roten Stern Leipzig mit einem klaren 10:0. Die Partie war durchweg einseitig von der deutlich überlegenen höherklassigen SG LL dominiert. Für den RSL boten sich gerade einmal zwei Chancen, jeweils eine pro Halbzeit, die jedoch nicht umgesetzt werden konnten. Insgesamt also kein spannendes Spiel und, von der Menge der Tore abgesehen, ohne bemerkenswerte sportliche Höhepunkte.
Und bei all den Eindrücken, die das Spiel hinterließ, spielt das Fußballerische und das Spielergebnis dann auch nur eine untergeordnete Rolle. Was die Begegnung bereits im Vorfeld prägte und auch die Stimmung im Alfred-Kunze-Sportpark bestimmte, waren Provokationen, Schmährufe und verbale Attacken. Das wiederkehrende Erschallen von »Nur ein Leutzscher«-Sprechchören wurde mehrfach ergänzt vom »Führer-Lied« (»Wenn das der Führer wüsst', was Chemie Leipzig ist, dann wär' er auch in Leutzsch, denn Leutzsch ist deutsch!«) und anderen Variationen des Leutzsch/Deutsch-Reims aber auch dem unsäglichen »U-Bahn«-Lied, in dem in diesem Falle die U-Bahn von Connewitz nach Auschwitz gebaut werden sollte. Mehrfach erklang »Roter Stern. Juden. Juden. Juden«. Und um den Kontext nochmal zu verdeutlichen, wurde bereits vor dem Spiel, aber auch währenddessen auf die »Abstammung« der Leutzscher verwiesen: »Teutonisch, barbarisch, ein Leutzscher, der ist arisch.« Es gab kaum anders ausgerichtete Gesänge oder Sprechchöre von Seiten der Leutzscher, die von dieser Stimmung hätten ablenken, sie vielleicht sogar übertönen können. Video- und Tondokumente, die mittlerweile auch im Internet veröffentlicht sind, bestätigen diese Wahrnehmung von Gästen und Spielern.
Es waren bei weitem nicht alle Anhänger und Zuschauer der SG LL an den Gesängen und Rufen beteiligt. Aber sie haben diese insgesamt geduldet, ebenso wie Stadionsprecher und Vereinsführung, Spieler der SG LL und Schiedsrichter. Letzterer schreibt im Spielbericht: »Den Hinweisen (...) konnte der SR nicht folgen, da diese vom SR-Team nicht wahrgenommen worden.« Trotz der Hinweise und Aufforderungen, trotz der vorherigen Gefahreneinschätzung und Sicherheitswarnungen, trotz einer kurzen Spielunterbrechung bei Tumulten im Heimblock in unmittelbarer Nähe der Gästefans (siehe Foto) wurde nicht auf die Gesänge und deren Inhalte reagiert. Laut Presseerklärung des RSL erhielt ein Spieler sogar eine gelbe Karte für »unsportliches Betragen«, weil er sich mehrfach beim Schiedsrichter darüber beschwerte. Und da steckt das wirklich Traurige und Frustrierende an diesem Fußballnachmittag: Das so offensichtliche Wegschauen und Weghören, das Nicht-Handeln, Nicht-Problematisieren, Nicht-Eingreifen. Hier wurde sich von offizieller Seite hinter der Maske des »Unpolitischen« versteckt, zugleich eine vermeintliche politische Offenheit propagiert und sich dabei vollständig der Verantwortung für das Geschehen entzogen.
Man muss nicht RSL-Anhänger oder »Antifa« sein, um dies zu kritisieren. Was sich am Sonntag bei der SG LL gezeigt hat, erinnert ganz stark an die Situation beim 1. FC Lok. Auch hier haben sich Nazis und offenkundig rechtsgerichtete Personenkreise eingenistet und ausgebreitet. Es hat Jahre gedauert, bis die Offensichtlichkeit dieser Entwicklung von Seiten des Vereins auch nur in Ansätzen anerkannt und sich immerhin von den politischen Tendenzen einiger Fangruppen distanziert wurde. Dort wurden Aktionen wie ein aus Zuschauern gebildetes Hakenkreuz im Heimblock bei einem Jugendderby als harmlose Provokation von Außenstehenden abgetan. Bei der SG LL sind das nun antisemitische Rufe, aktive und bekennende Neonazis im Block, übertriebene Nationalismen, die nicht nur klein geredet, sondern sowohl ignoriert als auch geduldet werden. SG LL-Vorstandssprecher Jamal Engel erwägt laut LVZ-online sogar, rechtliche Schritte gegen den RSL einzuleiten, weil von deren Seite SG LL- Zuschauer als Nazis beschimpft wurden, statt sich Sorgen um den eigenen Verein zu machen. Es wäre schließlich nicht der erste Verein, der für verbale Attacken oder Entgleisungen seiner Fans zur Rechenschaft gezogen würde.
An dieser Stelle und zum Abschluss nur eine kurze Erklärung, weshalb hier nicht auf die Sprechchöre und Parolen eingegangen wird, die aus dem Gästeblock gerufen wurden: Sie waren nicht diskriminierend, nicht menschenverachtend, sie verhöhnten nicht Opfer des Nationalsozialismus. Das macht einen sehr großen Unterschied.