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Stadtleben

Angst vor der Sommerpause

Die Leipziger Initiative leistet seit Jahren Bildungsarbeit im Breitensport-Fußball – ihre Zukunft ist ungewiss

  Angst vor der Sommerpause | Die Leipziger Initiative leistet seit Jahren Bildungsarbeit im Breitensport-Fußball – ihre Zukunft ist ungewiss  Foto: IVF

Während der alte Bundestag auf die letzten Meter über die ausgesetzte Schuldenbremse und das Sondervermögen in astronomischer Höhe verhandelt, bleibt die Haushaltslage auch in Sachsen unklar. Wie der kreuzer in der März-Ausgabe mannigfaltig beleuchtet hat, sorgt die Finanzierungsunklarheit seitens des Freistaats und der Stadt für große Unsicherheit in der Kunst- und Kulturszene. Auch im Bereich der politischen Bildungsarbeit droht wichtigen Trägern das Abseits.

Gerade mit Blick auf die Ergebnisse der Landtagswahlen letztes Jahr sowie der Bundestagswahl im Februar wird deutlich, dass es Angebote für Toleranz, Vielfalt und Demokratiebildung braucht. Gerade im Breitensport-Fußball hat dies Relevanz und zwar aus verschiedenen Gründen. Einerseits ist Fußball Volkssport in Deutschland, der DFB verzeichnet etwa 2,3 Millionen Aktive, Menschen unterschiedlicher Milieus und Bubbles kommen so tagtäglich in Kontakt beim gemeinsamen Sport. Gleichzeitig hat der Vereinsfußball ein Rassismusproblem: Laut der Mitte-Studie 2022/23 von der Friedrich-Ebert-Stiftung werden rassistische Aussagen von Fußballvereinsmitgliedern – verglichen mit denen anderer Sportvereine oder Menschen ohne Vereinsmitgliedschaft – weit überdurchschnittlich bejaht.

Lösungsansätze, um für verschiedene Diskriminierungsformen, Vorurteile und Ressentiments zu sensibilisieren, bietet die Leipziger Initiative für mehr gesellschaft­liche Verantwortung im Breitensport-Fußball (IVF). Ein Gründungsanlass war der Angriff von Neonazis auf ein Spiel vom Roten Stern Leipzig in Brandis 2009, erzählt IVF-Mitglied Dennis Schmitt. Im Umfeld des Roten Sterns fanden sich damals Menschen, die im Amateurfußball Bildungsarbeit leisten wollten. Diese wurde über die Jahre in Form von Workshops, Wanderausstellungen und Gedenkstättenfahrten mit Vereinen realisiert. Man wolle langfristig mit Vereinen kooperieren, die die Angebote der Initiative kostenfrei in Anspruch nehmen können: für Spielende, Trainierende und Schiris. Dafür wurde die IVF letztes Jahr mit dem Julius-Hirsch-Preis des DFB ausgezeichnet, der »Engagement für Vielfalt, Menschenwürde und ein respektvolles Miteinander sowie gegen Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus« prämiert und laut DFB-Präsident Bernd Neuendorf der »wichtigste Preis, den der DFB zu vergeben hat«, ist. Diesen dotiert der Verband, der seit 2023 wieder Gewinne in Millionenhöhe erzielt, mit ganzen 7.000 Euro.

Für die IVF bedeutete der Preis zunächst erhöhte Aufmerksamkeit, doch schon kurze Zeit später muss die Initiative nun um ihre Zukunft bangen. Denn das Förderprogramm »Weltoffenes Sachsen« des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (SMS) und damit die Hauptförderung der IVF läuft aus. Das SMS hat angekündigt, erst Mitte des Jahres über die neu beantragte Förderung zu entscheiden. Laut Dennis Schmitt von der IVF hat die Initiative noch Rücklagen, um Projekte und Hauptämter bis zum Sommer ­finanzieren zu können. Zusammen mit einer Spendenkampagne habe man »für sechs Monate Geld zusammenkratzt«. Danach müssten Projekte eingestellt werden und Mitarbeitende sich neue Jobs suchen. Doch selbst wenn die Förderung fortgesetzt wird: Schmitt befürchtet Kürzungen.

Wir haben beim Ministerium nachgefragt, in der Antwort heißt es, dass die vorläufige Haushalts- und Wirtschaftsführung »zu unserem großen Bedauern natürlich Auswirkungen auf bisher geförderte Projekte hat«. Euphorie kommt nicht auf, wenn es heißt: »Im Bewilligungsverfahren werden sowohl der Bewilligungszeitraum als auch die Zuwendungshöhe geprüft und ggf. angepasst.« Auch Sozialministerin Petra Köpping (SPD) wird in der Antwort zitiert: »Soziale Projekte in Sachsen leben von dem Engagement der vielen Haupt- und Ehrenamtlichen. Es ist mir wichtig, dass die wertvollen Strukturen und Personen, die diese tragen, erhalten bleiben.« Dass hierfür fiskalische Mittel und nicht nur Idealismus, Luft und Liebe reichen, sollte auch im SMS klar sein. Auf der Instagramseite der IVF ist ein Spendenaufruf in Videoform zu sehen, den der FC St. Pauli vor seinem Spiel in Leipzig teilte, darin heißt es: »Unsere Gegner sind: Überlastetes Ehrenamt, kaum Fördergelder, steigende antidemokratische Tendenzen in Politik und Gesellschaft.« Außer Spenden helfe der IVF auch eine erhöhte Reichweite, sagt Schmitt, und das Schaffen von Kooperationsmöglichkeiten. Es bleibt der bange Blick nach Dresden.

 

> www.ivf-leipzig.org


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