Es ist eine sehr schlichte Geschichte der langsamen Annäherung, die Christian Zübert in seinem Film erzählt. Mit unkonventionellen Plotwendungen hält er ihn in einer angenehm lakonischen Balance.
»Merhaba, Nazi«, grüßt das kleine türkische Mädchen den Taxifahrer, legt sich auf die Rückbank und schläft ein. Vor ein paar Tagen hat sie dort mit ihrer Mutter gesessen, die mit dem grantigen Kutscher aneinander geraten war und ihn als »Nazi« beschimpft hat. Für die Tochter hatte sie das fremde Wort mit »netter Onkel« übersetzt. Einen netten Onkel braucht die 6jährige Hayat nun dringend. Ihre Mutter arbeitet auf einem Kreuzfahrtschiff und ist für zwei Wochen nicht erreichbar.
Die Oma, die sich um sie kümmern soll, hat beim Morgengebet der Schlag getroffen und liegt nun im Koma. Als Hayat das Gesicht des Taxifahrers wieder erkennt, vertraut sie sich ihm mit wortloser Bestimmtheit an. Hartmut Mackowiak (Elmar Wepper) ist davon alles andere als begeistert. Ein Nazi ist er nicht, aber ein mürrischer alter Mann, dem gerade sein Leben auseinander gebrochen ist.
Nach 30 Ehejahren hat seine Frau ihn verlassen. Da sitzt er jetzt allein in der nagelneuen Einbauküche und spielt mit dem Soft-Close-Mechanismus der Schubladen, während seine Frau ein neues Leben mit einem anderen Mann begonnen hat. Das Mädchen auf der Rückbank hat ihm da gerade noch gefehlt. Er fährt das Kind nach Hause und beginnt sich äußerst widerstrebend um Hayat zu kümmern.
Es ist eine sehr schlichte Geschichte der langsamen Annäherung, die Christian Zübert in seinem Film »Dreiviertelmond« erzählt. Der alte Mann und das kleine, fremde Mädchen – wie leicht hätte diese Figurenkonstellation ins kitschige Rührstück abkippen können. Aber Zübert hält seinen Film mit unkonventionellen Plotwendungen in einer angenehm lakonischen Balance.
Die Figur des mürrischen Taxifahrers, der sich durch das Kind vorsichtig an die türkische Kultur herantastet, ist jenseits multikultureller Wunschfantasien durch und durch glaubwürdig gestaltet. Nicht nur weil Elmar Wepper die kontrollierten Emotionen seiner Figur so langsam und präzise entgleisen lässt, sondern auch weil Züberts Drehbuch die Dialoge derart genau auf den Punkt bringt. Kein Gramm zuviel ist an den Sätzen, denen der fränkische Dialekt eine ganz eigene Poesie der Schlichtheit verleiht.