Die katholische Kirche will dem Heiligen Nikolaus von Myra ein Comeback bescheren – auf Kosten der säkularen Konkurrenz. Der Weihnachtsmann braucht jetzt unsere Solidarität.
Zugegeben, dieser adipöse Hippie in rot-weißer Kutte, der ab November durch die Gegend vagabundiert, ist ein eher fragwürdiges Subjekt. Hält sich bevorzugt in der Nähe kleiner Kinder auf, die er mit Geschenken »beglückt«. Als Wohnsitz gibt er »Nordpol« an. Dass Coca Cola den korpulenten Grüßaugust erfunden hat, gehört zwar ins Reich der »urban legends«. Wohl aber setzt der Brausehersteller ihn von jeher zu Werbezwecken ein. Seine weltweite Beliebtheit verdankt sich jedenfalls auch dem ehemals kokainhaltigen Softdrink – womit wir en passant ein zentrales Menschheitsrätsel gelöst hätten. Oder haben Sie sich nie gefragt haben, wie denn »Santa« die titanische Arbeitsleistung des alljährlichen Geschenkeverteilens im Alleingang bewältigen und dabei noch immer so mopsfidel grinsen kann? Am Nordpol liegt bekanntlich jede Menge Schnee.
Der katholischen Kirche passt er aber aus einem anderen Grund nicht in den Kram. Denn unser Weihnachtsmann ist nichts weiter als eine säkularisierte Version des Heiligen Nikolaus, jenes frommen Bischofs von Myra, der im dritten Jahrhundert allerlei Wunder (z. B. Zerstörung antiker Kultstätten, Judenbekehrung) bewirkt und auch Kinder beschenkt haben soll. Unter dem Motto »Mitra statt Zipfelmütze« hat die Kirche nun eine Anti-Weihnachtsmann-Kampagne gestartet. Prominente Sympathieträger wie Maite Kelly und Gloria von Thurn und Taxis schmähen den Weihnachtsmann als Plagiat und beschwören den »echten« Nikolaus. Das Bonifatiuswerk, das für die katholische Diaspora – also auch Leipzig – zuständig ist, will gar »weihnachtsmannfreie Zonen« einführen. Entsprechende Sticker und Plakate werden vertrieben und sollen an die Türen von Kindergärten und Schulen geklebt werden. Der Weihnachtsmann soll aus dem öffentlichen Raum verschwinden.
Gewiss, die Gegenreformation hat schon einmal schärfer geschossen, aber nett ist das alles nicht. Und auch nicht besonders christlich. Wie mahnte einst Martin Niemöller? »Als sie die ersten Weihnachtsmänner holten, habe ich geschwiegen; denn ich war kein Weihnachtsmann...« Am Ende sind wir doch allesamt Weihnachtsmänner. Darum: Wehret den Anfängen! Angesichts solcher Hetze muss jeder, der noch ein Gewissen hat, sich mit dem Weihnachtsmann solidarisieren.
Dezenter und appetitlicher nimmt sich die Aktion des Leipziger St. Benno-Verlages aus, der einen Nikolaus-Adventskalender und Schokoladen-Nikoläuse mit Mitra und Bischofsstab unters Volk bringen will. Das ist vollkommen in Ordnung, denn auf diese Weise können Nikolaus und Weihnachtsmann in einen fairen Wettstreit miteinander treten. Na gut, so wie der episkopale Sugardaddy guckt, empfiehlt er sich nicht unbedingt als vertrauenswürdige Betreuungskraft für die lieben Kleinen. Vom Koks-Weihnachtsmann weiß man immerhin, dass er verheiratet ist. Doch sobald man ihn seines Ornats entledigt hat, steht auch der Heilige aus Myra in schokoladiger Nackigkeit da wie jeder andere profane Jahresendzeithohlkörper und geht den Weg allen Weihnachtsgebäcks.
Mehr als 30 Prozent Kakaoanteil hätte man dem zu Lebzeiten selbst so spendablen Nikolaus aber schon gönnen können. Er schmeckt recht süß und seifig. Irgendwie nach, äh, Pepsi. Aber genau wie bei Cola und Pepsi ist auch die Wahl zwischen Weihnachtsmann und Nikolaus eine reine Glaubenfrage.