Umtriebig zwischen Paris, Palermo und Boston: In der letzten Zeit war es gar nicht so leicht, einen Kontakt zu Günter Baby Sommer herzustellen. Nun schaut die Free-Jazz-Koryphäe in Leipzig vorbei.
Der Schlagzeuger feierte dieses Jahr seinen 68. Geburtstag; und scheint immer noch gehörig im Saft zu stehen. Als Jazzer in unterschiedlichen Besetzungen, Solo Performer und Pädagoge reist er durch die Welt und gibt Konzerte sowie Workshops. Baby Sommer, der seinen Namenzusatz als Hommage an den Jazz-Schlagzeug-Pionier Warren Baby Dodds wählte, ist ein Meister des zeitgenössischen europäischen Jazz. Auf die Frage, was er unter diesem Jazz verstehe, erklärt er seine kosmopolitische Attitüde: »Unter Beibehaltung der Individualität sollte europäischer Jazz interkulturell wirken. Deutsche Musiker klingen anders, wenn sie mit Italienern, Griechen oder Franzosen spielen.« Die Anerkennung seiner künstlerischen Arbeit brachte ihm im März den Kunstpreis der Landeshauptstadt Dresden ein.
Bei der zehnten »musikalisch-theatralischen Installation« des Euphorium Freakestra, dürfen nun auch die Leipziger wieder Sommers nuancenreiches Spiel erleben. Im Gepäck ein Instrumentarium, das weit über das einfache Drumset hinausgeht, wird er zusammen mit Axel Dörner (Trompete) und Matthias Lorenz (Cello) einen wahrscheinlich kontemplativeren Beitrag leisten, als man es von Schwerdts experimentellen Free-Jazz-Abenden erwartet. Der nämlich bezeichnet Sommers Rolle augenzwinkernd als »Schweb-Zeuger«. »Ich werde bei dem vielen Geklöpple rechts und links von mir eine Klangebene mit Gongs, Röhrenglocken und anderen Klangerzeugern schaffen«, beschreibt Sommer seine Funktion. Die energetische Ebene der Schwerdtschen Improvisationsmusik erweitere sich somit durch eine klangliche. Trotzdem bleibt es Spontanmusik, denn die Musiker spielen erstmalig und ohne vorher zu proben miteinander. Sommer schätzt das lebendige Potential: » Ad hoc-Begegnungen sind oft freier als die Gruppen, mit denen man für einen längeren Zeitraum zusammen arbeitet.«
Zuvor, in der ersten Hälfte des Abends, ergänzen die Kontrabassisten John Edwards und Robert Landfermann das Trio von Ernst-Ludwig Petrowsky (Saxophon), Oliver Schwerdt (Piano) und Christian Lillinger (Schlagzeug). Gut, die drei letzteren sind schon ein etabliertes Team. Um ein Funken sprühendes Wiedersehen, gewohnt vital und unwiederholbar, muss man sich dennoch nicht sorgen.
Gewohnt? Diesen Begriff auf eine dem Moment verpflichtete Musik anzuwenden, erscheint ziemlich frevelhaft. Wie »free« ist eigentlich der Free Jazz? »Die radikale Periode der absoluten Zerstörung ist doch längst vorbei«, gibt Sommer eine Bestandsaufnahme. Mittlerweile lägen genug Scherben herum, die man wieder zu neuen Formen zusammensetzen könne: »Der Free Jazz ist so frei, wie man sich selber frei fühlt.«