Es gibt mal wieder Aufregung um das Bier aus Leipzigs Spätis. Schon in der Vergangenheit wurde die verstärkte Kontrollpraxis durch die Behörden thematisiert. Mitarbeitende des Ordnungsamtes können Bußgelder verhängen oder Späti-Betreibende auffordern, Regale mit Lebensmitteln abzuhängen, wenn diese nach 22 Uhr oder sonntags angeboten werden. Eine Demonstration, um die Spätis zu »verteidigen«, soll es am kommenden Sonntag in Connewitz geben. Wir sprachen mit Mario aus dem Kreis der Organisatorinnen und Organisatoren über die Hintergründe.
Warum soll es jetzt eine Demonstration für Spätis geben?
Konkreter Auslöser war, dass an einem Sonntag eine Kontrolle von Mitarbeiter:innen des Ordnungsamts in einem Späti von Gästen miterlebt wurde. Klar, die Polizeibehörde wird immer mal in der Stadt gesehen, und Freund:innen berichten hin und wieder von ihren schlechten Erfahrungen mit Kontrollen. Aber bei so einer Maßnahme im Späti dabei zu sein, war eine Erfahrung, die Unmut in Connewitz hervorgerufen hat. Mit dieser Erfahrung kamen Menschen ins linXXnet (Projekt- und Abgeordnetenbüro der Linken-Landtagsabgeordneten Juliane Nagel, Anm. d. Red.) und fragten, was das soll. Die Linksfraktion schrieb daraufhin eine Anfrage, deren Antwort uns überraschte.
Inwiefern hat Sie die Antwort der Stadt Leipzig überrascht?
Wir sind davon ausgegangen, dass die Stadt sich auf das Sächsische Ladenöffnungsgesetz berufen und somit die Verantwortung, wie so oft, einfach von sich weisen würde. Dass sie dann aber freimütig von bisher 123 Kontrollen in diesem Jahr berichtete, die auf »Eigeninitiative der Bediensteten« des Ordnungsamts erfolgten, hat uns überrascht. Es zeigte sich in weiteren Gesprächen, dass es sich hier um ein Vorgehen der Leipziger Behörde handelt, das in anderen sächsischen Städten in dieser Intensität nicht praktiziert wird. Das hat natürlich die Wut auf diese Kontrollpraxis gegenüber unseren Spätis noch einmal gesteigert und uns zu dem Entschluss geführt, dagegen auf die Straße zu gehen.
Jenseits der Kontrollen: Das Ladenöffnungsgesetz, das die Öffnungszeiten von Verkaufsstellen auf 6 bis 22 Uhr beschränkt, dient ja auch dem Schutz der Beschäftigten. Wie gehen Sie damit um?
Wir fordern keine schrankenlose Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, wie es vielleicht marktradikale Akteure wie die FDP tun würden. Wir stehen dazu, dass Chefs ihre Angestellten zu bestimmten Zeiten, insbesondere am Abend und am Wochenende, in Ruhe lassen sollen und dass Arbeitszeiten eher verkürzt als verlängert werden müssen. Darum fordern wir eine Öffnung nur für kleine, inhabergeführte Läden, auf keinen Fall für große Ketten. Betreiber:innen von Spätis vermuten, dass Supermarktketten diese anschwärzen, um missliebige Konkurrenz loszuwerden. Die Situation bei der Kontrolle in dem Späti ließ diese Vermutung auch zu, weil die Mitarbeiter:innen des Ordnungsamts bei der Kontrolle selbst Supermarktketten ins Gespräch brachten, deren Angebot angeblich in Konkurrenz zum Späti stünde. Wir fordern somit eine kleine Ausnahmeregelung für einen kleinen Bereich: die Spätis, die mehr sind als reine Verkaufsstellen – nämlich auch soziale und nachbarschaftliche Anlaufstellen in den Vierteln. Das sieht die Stadt ja selbst auch so, tut aber das Gegenteil, indem sie diesen das Existieren erschwert.
Was erhoffen Sie sich von der Demonstration?
Erst einmal wünschen wir uns Aufmerksamkeit für das Thema, damit alle Betreiber:innen von Spätis die Möglichkeit nutzen können, die Probleme, die die städtischen Behörden ihnen bereiten, mit uns auf der Demo zu teilen. Wir wissen aus Gesprächen mit Spätis, dass diese angebliche Konkurrenz zu Supermärkten nicht stimmt – niemand macht einen Wocheneinkauf im Späti. Wir sind offen für Wortbeiträge und Grußworte von Spätis, damit dies endlich bei den Behörden ankommt. Dann wollen wir natürlich sichtbar machen, wie sehr wir unsere Spätis schätzen und erhalten wollen. Wir rufen daher alle auf, denen ihr Späti um die Ecke am Herzen liegt, mit uns auf die Straße zu gehen. Unsere wichtigste Forderung ist, dass die Stadt Leipzig der »Eigeninitiative« der Mitarbeiter:innen der Polizeibehörde einen Riegel vorschiebt. Wenn von Leipzig schon keine Initiative ausgeht, das Sächsische Ladenöffnungsgesetz zu reformieren, dann soll die Behörde vor Ort wenigstens die Spätis in Ruhe lassen. In anderen Städten in Sachsen geht das schließlich auch.
Bislang im kreuzer dazu:
Immer wieder sonntags kommt das Ordnungsamt
Sonntagsruhe vor Spätibier
Das Ende von Leipzig
Kampf um das Urbane