Secondhand ist bei Kleidung weit verbreitet, ansonsten aber rar. Dabei hinterlassen auch Kulturveranstaltungen, Messen und Baustellen eine Fülle hochwertiger Baumaterialien und Requisiten. Das Materialbuffet in Schönau bewahrt diese vor der Entsorgung und bringt sie neu in Umlauf. Maxime dabei: die Kreislaufwirtschaft im ressourcenintensiven Baubereich zu etablieren. Das breite Sortiment im Markt verblüfft – außer Holz, Schrauben und Lampen, die etwa die Hälfte des Neupreises kosten, wartet so manche Kuriosität zwischen den Reihen.
An einem frischen, aber sonnigen Herbsttag steht eine kleine Menschentraube vorm Eingang des Materialbuffets. Die Lagerhalle liegt am Lindenauer Hafen, am Rande eines Neubaugebietes, gegenüber einer Kick-Box-Halle. Draußen legt sich Marktleiterin Annemarie Schatz Palletten zurecht und schneidet für eine Kundin eine Siebdruckplatte. Drinnen reichen die Regale bis unter die Decke, sind gefüllt mit Kartons und Boxen. Die Atmosphäre verleitet zum Stöbern. Zwischen Platten, Holzbalken und Metallrohren stehen Blumensträuße und Schaufensterpuppen.
Angefangen hat das Materialbuffet während der Pandemie als gemeinnütziger Verein. Doch um das Kreislaufmodell aus der Nische zu heben, entschieden das Team von Trash Galore sowie die Brüder Adrian und Timon Fabel, die Gesellschaft für Materialkreisläufe zu gründen. »Nur wenn es sich wirtschaftlich trägt, ist es auch nachhaltig«, erklärt Adrian Fabel. Der 31-Jährige und sein vier Jahre jüngerer Bruder Timon Fabel kümmern sich am neuen Standort um Marktbetrieb und Lagerstruktur. Sie stehen über einen Rechner gebeugt im provisorischen Aufenthaltsraum in der oberen Etage. Eigentlich wollten sie diese weiter ausbauen, winterfest machen: »Die Halle wird schon sehr kalt«, so Adrian. Holzlatten, Dämmstoff und Säge liegen bereit. Die Etage haben sie aus wiederverwerteten Materialien selbst eingezogen, so wie sie auch den Rest des Marktes ausgestattet haben. Auf der Insolvenzversteigerung eines Supermarktes erwarben sie Regale und ihr Kassensystem: »Wir standen vor brandneuen Regalen und Kassen, keine zwei Jahre alt«, erinnert sich Timon Fabel.
Jetzt beratschlagen er und Adrian Fabel über das Angebot einer Messefirma. Die Sachen dort müssen raus und die beiden Brüder also schnell reagieren. OSB-Platten, Stellwände – gefragte Artikel. Es sei ein Balanceakt zwischen Warenannahme und Verkauf. Wie ihr Arbeitsalltag aussehe? »Wüst«, sagt Adrian Fabel und lacht. Gute Organisation und stetige Improvisation seien obligatorisch, aktuell stehe viel Aufbauarbeit an, infrastrukturell und organisatorisch. Kultur und Messe lieferten einzigartige Stücke, doch es brauche auch kontinuierlich Holz, Metalle, Schrauben. Deshalb suche er Kooperationen mit Industrien, die regelmäßig »Abfälle« hätten. Ein Lederwarenhersteller und ein Verpackungsproduzent zählen bereits dazu. Ähnliches gelte für abnehmende Betriebe – denn schon jetzt reiche der private Verkauf nicht aus, um die Materialien umzuschlagen. »Bei zu langer Lagerung erhöhen sich die Fixkosten«, so Adrian Fabel. »Es braucht schon sehr viel Überzeugung, das hier aufzuziehen.« Ihr Motiv sei der Wille zur Veränderung hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. »Millionen verdient man da nicht.« Gut 80 Stunden die Woche arbeiten die beiden jeweils. Das Telefon geht: Übermorgen können sie Stühle von einem Messe- und Eventausstatter abholen.
Manche Öffnungstage liefen super, dann gebe es wieder Durststrecken. Ähnlich sei es mit der Ware: Strelitzien seien extrem gefragt – knapp zwei Meter hohe Pflanzen von der Messe. Auch robuste Planen seien beliebt, weil sie deutlich langlebiger und günstiger als die aus dem »normalen« Baumarkt seien. Eine Kundin habe neulich 733 Bälle für ein Deko-Vorhaben abgezählt und gekauft. Vermutlich werden auch die schwarzen Industrielampenschirme aus Emaille gefragt sein, die Adrian Fabel erst an diesem Morgen geholt und nun schon nebenbei vom Schmutz befreit hat. Die Kundinnen und Kunden seien sehr interessiert, sagt Timon Fabel. »Eine Besucherin fand es total spannend und meinte, hier oben sehe es aus wie in dem Baumarkt, in dem sie arbeitet.« Und tatsächlich, das große Angebot an Schrauben und Nägeln hier erstaunt.
Zwei Tage später steht der Gabelstapler auf dem Hof bereit. Vergoldete Holzrahmen der Oper lehnen an der Wand. Es ist erneut frisch und sonnig: perfektes Verladewetter. Timon Fabel schafft Platz in der Halle. Ein blauer Transporter fährt vor, mit Designer-Barhockern, klassischen Stühlen und Warteschlangentrennern, wie man sie vom Flughafen kennt. »Super für Veranstalter.« Es wird geräumt, die Gänge stehen voll und am Nachmittag öffnet der Laden. Sie versuchen derzeit, das Anliefern stärker zu bündeln.
Die Halle in der Hafenstraße ist jedoch nur eine Übergangslösung für das Materialbuffet. »Der ganze Kanalstreifen ist extrem umworben. Hier soll ein Altersheim entstehen«, sagt Timon Fabel. In zwei bis drei Jahren werde die Halle abgerissen. Doch es gibt bereits Alternativpläne: ein großes zirkuläres Zentrum – unweit vom jetzigen Gelände, erbaut aus wiederverwendeten Materialien. Mit anderen Initiativen möchte das Team des Materialbuffets Baumarkt, Tischlerei, offene Werkstatt und Planungsbüros vereinen – auch das im Sinne der Kreiswirtschaft. Hier könnten mit Designerinnen und Designern Möbel entstehen – in limitierter Stückzahl, nach wechselndem Sortiment. »Es wird ein einziges Experiment«, sagt Adrian Fabel optimistisch. »Klar, dieser Schritt kann auch noch schiefgehen. Aber wenn es funktioniert, machen es vielleicht weitere und dann kommt ein Zug in die Nachhaltigkeit, die wir ja gesellschaftlich enorm brauchen. Sonst stehen wir in den nächsten Jahren vor ganz anderen Problemen.«
> Materialbuffet-Secondhandbaumarkt, Hafenstr. 23, 04179 (Schönau), Mi, Fr 14–20, Sa 10–17 Uhr, www.materialbuffet.de
> Seit November ist das Materialbuffet auch in den Höfen am Brühl im Konzeptladen Wiederschön vertreten, der auf die Leipziger Stadtreinigung zurückgeht und kreative Projekte vereint, die Möbel, Kleidung und Schmuck aus Recycleware herstellen.