»LVZ duldet unwidersprochen rechtsradikales Gedankengut« – Wenn die Sau mal wieder durchs mediale Dorf getrieben wird, stellt sich stets die Frage, ob man sich daran beteiligen soll. Wenn ein prominenter Pfarrer und seine Leipziger Kirchgemeinde aber die Pressefreiheit in Frage stellen und den Neonazismus verharmlosen, dann ist das kein kleiner Aufreger, sondern Anlass genug zum Widerwort.
Was war geschehen? Nachdem sich Thomaskirchen-Pfarrer Christian Wolff über Peter Degner und seine alljährlichen Classic Open auf dem Marktplatz beschwert hatte und notfalls mit gerichtlichen Schritten drohte, erschien ein Leserbrief in der LVZ. Dieser ergriff mit zum Teil deftigen Worten Partei für die Festspiele und empfahl: »Wer sich traut, die Classic Open anzugreifen, sollte mit Schimpf und Schande aus der Stadt gejagt werden.« Eigentlich eine Petitesse, sie gipfelte aber in einer unglaublichen Presseerklärung der Kirchgemeinde: »Dieser öffentliche Aufruf zur Menschenhatz ist Rechtsextremismus pur. Dass die LVZ ihn unkommentiert veröffentlicht hat und seit Samstag vorliegende Leserbriefe dazu unterdrückt, legt den Verdacht nahe, dass die LVZ die Verbreitung rechtsradikalen Gedankengutes unwidersprochen duldet [...] Wir werden unsere Veranstaltungen in der Thomaskirche und das Internet dazu nutzen, um diesem nun ganz offensichtlich in der Mitte der Gesellschaft angekommenen Rechtradikalismus zu widerstehen.« Nun vermeint die Gemeinde sogar einen Pogromaufruf zu wittern.
Dass sich vermeintlich dem rechten Rand vorbehaltene Ressentiments wie Rassismus auch in der so genannten Mitte der Gesellschaft finden lassen, hat die unlängst abgeschlossene Langzeitstudie »Deutsche Zustände« erst wieder aufgezeigt. Der derbe Leserbrief ist hierfür aber kein Beweis. Auf einer ganzen Seite ließ die LVZ Pro- und Contra-Stimmen zu Wort kommen, die Fronten bleiben aber verhärtet. Der eigentliche Eklat ist aber anscheinend niemandem aufgefallen: Hier werden Neonazis und ihre Verbrechen verharmlost, um sich schamlos als Opfer in einer angeblichen »atheistischen Stadt« zu stilisieren. Das ist die unschöne Pointe dieser ansonsten amüsanten Provinzposse. Mögen doch bitte beide Parteien die Kirche im Dorf lassen, in aller Ruhe über gefühlte Ruhestörung und das Leben in der City diskutieren. Das Relativieren von Neonazis aber und damit auch das Verhöhnen ihrer Opfer – das steht letztlich hinter der herbeifantasierten Progromstimmung – sollten nicht nur gute Christen nicht nur in der Adventszeit unterlassen.