Der Bitprof wird zum digitalen Dandy und bummelt durch Gedanken zum neuesten Trend der Spielewelt: Einfach mal rumlaufen.
Der Mensch geht gern spazieren. Ein Spaziergang, das ist Muße, Erholung, Bewegung, eine Liebkosung der Seele. Ja! Er ist Anlass gleichsam leichter wie tiefer Gedanken – über das Innen und Außen, die Liebe und Eiscreme. Das Wissen um den Wert des Spaziergangs, der Bummelei, des Flanierens und Lustwandelns ist einigen in die Wiege gelegt, anderen nicht. Computerspieler, könnte man meinen, gehören zu Letzteren.
Doch seit Kurzem lässt es sich auch am Rechner vortrefflich spazieren: In Spazierspielen eben. Der digitale Dandy und virtuelle Bummler hat sie längst für sich entdeckt: »Dear Esther« (kreuzer 02/12), »Journey« oder »Proteus« (kreuzer 04/12) heißen sie – Spiele, in denen man nicht viel mehr tut als umherzulaufen, Geschichten zu hören, Sound und Grafik zu genießen.
Natürlich beruht auch das zeitgenössische Spazierspiel auf Traditionen. Früher, ganz früher, gab es Spiele wie »Myst«, oder das vom Leipziger Allroundkünstler Knut Müller in seiner Dachwohnung geschaffene »Rhem«. Im Grund sind das schon Spazierspiele – unterbrochen von Rätseln und Koordinationsaufgaben.
Doch warum sollte man ausgerechnet im Computer spazieren gehen? Ist er, der Spaziergang, nicht die ultimative, die letzte Bastion des Analogen, etwas, das niemals virtuell sein kann? Und ist nicht gleichzeitig und andersherum gedacht der Spaziergang das Gegenteil des Computerspiels, mit seinen Ballerorgien, seinen Rätseln, seinem ständigen Tun, ständiger Aktivität, den Geschicklichkeitsübungen? Kann ein Spaziergang also Spiel sein? Und kann ein Spiel Spaziergang sein? Handelt es sich beim Spazierspiel etwa um ein ganz neues Medium? Diese Fragen müssen nun Promenadologie und Ludologie klären – vielleicht bei einer schönen Bummelei, sei sie nun virtuell oder reell.