In der Umsetzung des Märchens von Astrid Lindgren ist der Tod und sein Umgang mit ihm das zentrale Thema. Das Theater der Jungen Welt inszeniert die Abenteuergeschichte mit Elementen aus Computerspielen, einer rasanten Szenenabfolge und einem grandiosen Finale.
»Tod dem Tyrann!« – Eben noch prangte die Losung »Tengil der Befreier« in Schwarz-Rot über dem Bühnengrund, nun finden sich dessen Schergen im Kampf mit den Bewohnern des Heckenrosentals wieder. Freiheit oder Tod, dieses oft missbrauchte Entweder-Oder waltet auch hier. Und die Brüder Löwenherz sind mittendrin in diesem letalen Schlamassel im Land Nangijala. Dabei hatten sich Karl und Jonathan Löwe, die Brüder Löwenherz eben, genau dorthin vor dem ewigen Ende allen Lebens flüchten wollen, dort, wo es immerfort Lagerfeuer und Abenteuer gibt. Und seit wann sind denn Abenteuer tödlich?
Fantasy-Filme und Computerspiele
»Was lebt, muss sterben«: In Astrid Lindgrens Märchen »Brüder Löwenherz« ist der Tod und der Umgang damit das zentrale Thema. Hier sind es neue, fantastische Welten, in welche die Brüder dem finalen Schicksal entgehen. Kindgerecht und sich doch nicht bei den Kleinen anbiedernd entfaltet sie eine märchenhafte Erzählung. Ebenso bildreich findet sich die Brüder-Saga im Theater der Jungen Welt umgesetzt. Dabei bedient sich Regisseurin Marion Firlus von ideenreichen Kostümen über kleine Figurentheaterelemente bis zu Feuerzauber und Videoprojektionen vieler Mittel, um den Lindgrenstoff in ein opulentes Theatergewand zu überführen. So tauchen auch Elemente aus Fantasy-Filmen und Computerspielen auf, etwa wenn die Brüder durch einen geheimen Stollen schleichen und ihr langsames Vorankommen mit Lichtbalken auf dem Boden dargestellt wird. Die Schurken sind eine Kreuzung aus schwarzen Rittern und Darth Vader und die Getreuen in den zwei Tälern könnten der »Legends of Zelda«-Reihe entsprungen sein. Und wenn Karl mit seinen durch schwarze Nachtmahre dargestellten Ängsten ringt, wird sein innerer Konflikt fantastisch plastisch.
Schlagabtausch als Showdown
Besonders beeindruckend gestaltet sich das Bühnenbild, das in seiner Ausgeklügeltheit eine vielfältige und rasante Szenenabfolge zulässt (Ausstattung: Jule Dohrn-van Rossum). Eine riesige, hinten angehobene Scheibe dient als Spielfläche. Im Prolog ist nur der vordere Teil zu sehen, auf der der todkranke, im Rollstuhl sitzende Karl von seinem Leiden und dem plötzlichen Versterben seines Bruders erzählt – hinter einem transparenten Vorhang wird dies durch kleine Spielszenen schlaglichtartig illustriert. Für das Land Nangijala öffnet sich dann das Rund, verschiedentlich mit weißen Fahnen abgehängt, werden Kirschtal und Wald dargestellt. Für das von Tengil okkupierte Heckenrosental klappt die hintere Hälfte hoch und wird zur dornenbewehrten Belagerungsszenerie. Dadurch entsteht eine dichte Atmosphäre, welche die Bedrohung durch die dunklen Horden greifbar werden lässt. Durchgängig die Spannung haltend, treibt die Handlung so auf den Showdown zu, der sich wie der Schlagabtausch in einem rundenbasierten Rollenspiel ansieht.
Ein Fest fürs Auge
Episodenhaft und in ihrem Tempo nie gedrosselt, ist die Inszenierung ein Fest fürs Auge. Weil die Ich-Perspektive des Romans auf der Bühne beibehalten wird und zwischen den Spielszenen Karl als Erzähler agiert, wird die Story geschickt gerafft. Leider – das ist der einzige Wehrmutstropfen dieser Inszenierung – fällt das Stück für das ganz junge Publikum dennoch zu lang aus. Nach einer Stunde und zehn Minuten gibt es eine Pause, um danach noch einmal rund 20 Minuten weiterzulaufen. So geht unter der hörbar gesunkenen Konzentration der jungen Besucher der dem grandiosen Finale folgende Epilog unter. Das ist schade, hat diese stimmungsvolle Inszenierung das aufmerksame Zuschauen mehr als verdient.