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Kultur

»Muss man arm sein, um sexy zu sein?«

Den Kinder- und Jugendtheatern geht’s wie der Hauptstadt. Theaterlobbyist Gerd Taube erklärt, warum

  »Muss man arm sein, um sexy zu sein?« | Den Kinder- und Jugendtheatern geht’s wie der Hauptstadt. Theaterlobbyist Gerd Taube erklärt, warum

Von den Kürzungen kommunaler Kulturhaushalte bleiben auch die Kinder- und Jugendtheater nicht verschont. Kürzlich erst wurde die Überführung des Thalia Theaters Halle in eine Sparte des Stadttheaters beschlossen. Anlässlich solcher Umbrüche veranstaltet die Fördergesellschaft Theater der Jungen Welt ein Podiumsgespräch, an dem auch Gerd Taube teilnimmt. Mit uns hat der Leiter des Deutschen Kinder- und Jugendtheaterzentrums vorab über die neue Situation gesprochen.

kreuzer: Wie schätzen Sie angesichts der Kürzungen die aktuelle Lage der Kinder- und Jugendtheater in Deutschland ein?

GERD TAUBE: Es ist immer schwierig, das in einem großen Bogen zu beantworten. Natürlich sind Kürzungen nicht schön, gleichzeitig muss man immer wieder differenzieren, was die Ursachen und Gründe sind, die dazu führen, dass hier und dort Theater geschlossen werden. Es geht ja in aller Regel um kommunale Theater, und die Lage der Kommunen ist bekanntlich sehr prekär. Bezogen auf das Kinder- und Jugendtheater ist zu bedenken, dass es Bestandteil kultureller Bildung ist, eines ganz wesentlichen Elements im Leben von jungen Menschen, durch das die Persönlichkeitsentwicklung gestärkt wird. Eigentlich müsste es so sein, dass das Theater als ganz selbstverständlicher Bestandteil des Lebens begriffen wird und damit die Finanzierung von Kulturinstituten als ein Teil von Daseinsvorsorge begriffen wird.

kreuzer: Kulturelle Bildung wird in der Politik gern oben angestellt. Warum sind dennoch Kinder- und Jugendtheater von den Kürzungen bedroht, obwohl sie ja diesen Auftrag haben?

TAUBE: Das ist genau der Widerspruch, den wir immer feststellen. Auf der einen Seite steht die politisch gewollte und gesellschaftlich geschätzte kulturelle Bildung, deren Bedeutung in Sonntagsreden beschworen wird, auf der anderen Seite das Alltagshandeln, das dann ganz anders aussieht. Ein Grund ist, dass das Kinder- und Jugendtheater wenig Lobbyunterstützung hat und dass ihm die Unterstützung durch eine breite Mehrheit der Bevölkerung mitunter fehlt. Dabei spielt es natürlich eine Rolle, dass das Kinder- und Jugendtheater zwar auf der einen Seite ein anerkannter Teil der Theaterkultur ist, seinem Image nach aber noch lange nicht diese Anerkennung hat. Letztlich trifft es an der Stelle die Schwächsten, die Kinder und Jugendlichen, die sich in der Gesellschaft nicht so organisieren können, wie das Erwachsene in so einem Fall tun.

kreuzer: Werden eigenständige Kinder- und Jugendtheater weiter existieren, vielleicht sogar wachsen oder werden sie wie beim Thalia Theater Halle zu Sparten schrumpfen?

TAUBE: Es gibt ja gar nicht so viele eigenständige Häuser, nur in Halle, Leipzig, Dresden, Berlin und München. Ansonsten ist das Kinder- und Jugendtheater ja vor allem als vierte Sparte an den Stadttheatern angesiedelt oder aber als Freies Theater. Insofern will ich jetzt nicht sagen, dass es gut ist, wenn das Kinder- und Jugendtheater in Halle als Sparte weitergeführt wird. Es ist aber zumindest der Versuch, das Angebot an Kinder- und Jugendtheater in Halle zu erhalten. Dabei stellt sich dann die Frage, wie eine solche Sparte ausgestattet ist, wie viel Eigenständigkeit sie auch innerhalb des Mehrspartenbetriebes behält. Und danach kann man dann beurteilen, ob das eine gelungen Rettungsaktion war.

kreuzer: Wie ist Ihre Position zum Titel des Podiums »Arm, aber sexy!«?

TAUBE: Ich sehe es so, dass das Gespräch speziell auf die kulturpolitische Situation, auf Verteilungskämpfe um Ressourcen, in Leipzig Bezug nimmt. Insofern verstehe ich das Podium als Forum, um den Stellenwert des Kinder- und Jugendtheaters in Leipzig zu betonen. Das Theater der Jungen Welt ist das älteste deutsche Kinder- und Jugendtheater. Das allein ist keine besondere Leistung des Theaters. Eine besondere Leistung ist es, dass das Haus in den letzten Jahren sehr hohen Zuschauerzuspruch, hohe Auslastungszahlen und interessante künstlerische Arbeit vorzeigen kann, indem junge Regisseure ans Haus geholt werden und man sich um die Entwicklung der Dramatik des Kinder- und Jugendtheaters bemüht, wie zum Beispiel mit den Busstücken, wo auch mobile Angebote gemacht werden. Da muss man sich überlegen, ob man auf so etwas in einer Stadt wie Leipzig verzichten kann, und vor allem, ob wir uns das gegenüber der jungen Generation leisten können. Spielt man dieses Gedankenspiel zu Ende, würde ein ganz wesentliches Element der Bildung und der Kultur in Leipzig verlorengehen.

kreuzer: Sind diese Theater arm, aber sexy?

TAUBE: Auf der einen Seite haben die Theater wenig Geld, aber sie sind jung, wild, immer wieder auf Erneuerung aus und genau das kann man, glaube ich, auch vom Theater der Jungen Welt sagen: ein Haus, an dem man immer wieder neugierig und offen für neue Entwicklungen ist. Die Frage ist eigentlich, muss es arm sein, um sexy zu sein, oder wäre es nicht sinnvoll, die notwendigen Ressourcen auch dauerhaft zur Verfügung zu stellen?

kreuzer: Kann man als Resümee festhalten, dass die Lage der Kinder- und Jugendtheater in Mitteldeutschland natürlich immer besser sein könnte, aber an sich eigentlich noch zufriedenstellend ist?

TAUBE: Was ist Zufriedenheit? Ich sage immer: Wir jammern – europäisch oder auch global betrachtet – auf allerhöchstem Niveau. Die Ausstattung und die Infrastruktur, die wir gerade in dem Bereich des Kinder- und Jugendtheaters haben, sind weltweit unvergleichlich, wie auch beim Theatersystem allgemein. Insofern muss und darf man sich über jedes Haus, das existiert und einen lebendigen Spielplan hat, freuen. Dass die Lage aber zufriedenstellend ist, soweit würde ich nicht gehen. Ich sehe, dass gerade in Sachsen, aber auch in Sachsen-Anhalt, die Lage des Freien Theaters ganz bedrohlich ist. Dem Armen Theater in Chemnitz, die dort Kinder- und Jugendtheater gemacht haben, wurde zum Beispiel jetzt die Förderung gestrichen. Da zögere ich, zu sagen, die Situation ist zufriedenstellend. Aber selbstverständlich hat man in den Städten, wo Theater existieren, weitergeführt und als unverzichtbar angesehen werden, zumindest Anlass zur Hoffnung, dass diese weiterhin ihre wichtigen Aufgaben erfüllen können und damit die Kulturlandschaft der entsprechenden Städte bereichern.


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