Noch ist er Geheimtipp: der Kunstraum Projektwerkstatt. Am Sonntag endet dort die Ausstellung »Coronation« von Sophie-Therese Trenka-Dalton. Wir haben sie und den Betreiber besucht.
Mesopotamien. Wiege der Zivilisation. Zweistromland. Die wenigsten werden bei diesem Begriff daran denken, dass die zwischen Euphrat und Tigris gelegene historische Landschaft im heutigen Irak liegt. Ein Phänomen, das die künstlerische Arbeit der Berlinerin Sophie-Therese Trenka-Dalton verdeutlicht.
Briefmarken mit irakischen Oberhäuptern
So steht noch bis zum 6. Mai die Skulptur »Palmentopf« im Zentrum ihrer Ausstellung »Coronation« in der Projektwerkstatt Leipzig. Die dekorative Keramik bezieht sich auf die typische Tor-Architektur mesopotamischer Städte und Paläste, wie sie zum Beispiel am rekonstruierten Ischtar-Tor im Berliner Pergamon-Museum zu sehen ist. Gerahmt wird der »Palmentopf« von zwei Wandinstallationen mit den Titeln »Heads« und »Tails«, die direkt auf die politischen Brüche im Irak des 20. Jahrhunderts Bezug nehmen: »Heads« ist eine Posterserie in Schwarz-Weiß, die stark vergrößerte historische irakische Briefmarken mit ehemaligen Oberhäuptern des Irak zeigt. »Die Gestaltung verweist auf die britische Dominanz im Land«, sagt Trenka-Dalton. »Die Briefmarkenporträts selbst stehen im tragischen Kontrast zur Geschichte: Alle Herrscher haben sich indirekt oder direkt gegenseitig umgebracht.« Das Konterfei von Saddam Hussein befindet sich auf der gegenüberliegenden Wand – auf einer irakischen Dinarmünze aus den achtziger Jahren.
Die Installationen von Trenka-Dalton setzen sich aus Fundstücken, Skulpturen und Fotografien zusammen, die wiederum auf ihre Streifzüge durch Museen, auf Architektur und Filme verweisen. Viele Stücke ersteigerte sie bei Ebay. »Ich möchte mit diesen dreidimensionalen Collagen Epochen und Orte jenseits einer linearen Geschichtsschreibung visualisieren«, sagt sie. Trenka-Daltons Beschäftigung mit dem zeitgenössischen Irak basiert auf einem Künstlerbuch, das der Leipziger Verlag Spector Books veröffentlichen wird. Die Künstlerin verarbeitet darin Fundstücke aus der ehemaligen irakischen Botschaft in Berlin-Pankow, dem Stadtteil, in dem Michael Barthel, der Betreiber der Projektwerkstatt, aufgewachsen ist.
Bei 30 Besuchern ist er froh
Neben Objektkunst und Installation bildet Klangkunst den Schwerpunkt seines Ausstellungsprogramms. »Coronation« ist bereits die 24. Ausstellung, die Barthel in seinen beiden Räumen in der Merseburger Straße zeigt. Obwohl sein Kunstraum schon seit 2009 besteht, finden nicht viele den Weg zu ihm. Wenn 30 Besucher zu einer Ausstellung kommen, ist er froh. »Ich denke, das verhält sich immer noch ein bisschen wie mit einem Geheimtipp, weil ich nie eine richtige Anbindung an die Hochschule für Grafik und Buchkunst hatte«, sagt Barthel. Im Jahr 2004 wurde der 35-Jährige an der HGB für den Studiengang Medienkunst angenommen – und verzichtete. Als Künstler versteht er sich dennoch.
Barthel begann einst eine Konditorlehre, bereiste als Bassist Deutschland und Europa und fand über die elektroakustische Musik zur Kunst. So veranstaltete er nach seinem Umzug von Berlin nach Leipzig eine Reihe, die internationale Künstler zu experimenteller Musik und Freejazz vereinte. Den Lyriker Paul Celan und den Chemnitzer Schriftsteller und Grafiker Carlfriedrich Claus benennt er als für ihn wichtige künstlerische Positionen. Die eigene Verortung, die Untrennbarkeit von Ort und Emotion sind die Grundfragen seiner Objektarbeiten, die oft in Verbindung mit Audioprojekten stehen. Erst im Januar dieses Jahres stellte er – begleitet von einer Kassettenedition in einer Auflage von 30 Stück – in der Projekt- und Hörgalerie A und V eine Reflexion über Orte aus: Was kann ein Ort sein? Was verspricht er? Was sind Zufluchtsorte?
Idealistische Herzensangelegenheit
Auch in seinen eigenen Räumen waren bereits Arbeiten von ihm zu sehen. Die Projektwerkstatt ist für ihn vor allem eine idealistische Herzensangelegenheit: »Ich arbeite gern wiederholt mit Künstlern zusammen, deren Arbeit ich schätze, und freue mich, sie durch eine Ausstellung in meinen Räumen ein Stück unterstützen zu können.« Im Laufe des Jahres stehen unter anderem noch die Leipziger Fabian Reimann, Cindy Schmiedichen und Marthe Krüger auf seinem Programm. Diesen Monat wird der in Berlin lebende Franzose Benjamin Laurent Aman die Räume nutzen, um eine Serie von Bleistiftzeichnungen zu zeigen, die Grenzen des mentalen und physischen Raums thematisieren. Barthel hofft auf viele Besucher – schließlich stellt der Künstler bereits zum dritten Mal bei ihm aus.
Für den Katalog verfasste der Kunstraumbetreiber ein Gedicht, das mit den Versen endet: »auf zu mir / bin ich begleitender – sehnsuchtsvoller / blind vor keiner landschaft / und immer auf der suche nach einer solchen«.