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Kultur

»Wir verstehen den Begriff ›Fotografie‹ nicht so eng«

Christin Krause und Thilo Scheffler, künstlerische Leiter des Fotografiefestivals F/Stop, über ihren Neustart und Erwartungsdruck

  »Wir verstehen den Begriff ›Fotografie‹ nicht so eng« | Christin Krause und Thilo Scheffler, künstlerische Leiter des Fotografiefestivals F/Stop, über ihren Neustart und Erwartungsdruck

»Freut euch! Alles bleibt neu« war in den letzten Monaten am Fenster des Zentrums für Zeitgenössische Fotografie Leipzig (ZZF) auf der Karl-Heine-Straße zu lesen. Ein Slogan, der deutlich machen sollte, dass es nicht vorbei ist mit dem Fotografiefestival F/Stop. Von 2007 bis 2010 fand es unter der Leitung von Kristin Dittrich jährlich statt. Nach Dittrichs Weggang (kreuzer 02/2011) fiel es im vergangenen Jahr aus. Seit Juli 2011 arbeiten Christin Krause und Thilo Scheffler als neue Leiter am Neustart des Festivals (kreuzer 11/2011). Noch bis Sonntag lädt das Festival für zehn Tage auf das Gelände der Baumwollspinnerei, wo sich insgesamt vier Ausstellungen dem Festivalthema »The History of Now« widmen.

kreuzer: Trotz der grundlegenden personellen und strukturellen Änderungen habt ihr den Namen F/Stop beibehalten. Warum?

THILO SCHEFFLER: Der Name ist wie eine Marke und durchaus auch positiv besetzt. Die Probleme, die es um das Festival herum gab, sind in erster Linie hier in Leipzig thematisiert worden. Außerhalb der Stadt fragen die Leute eher: Was ist denn eigentlich mit F/Stop? Zudem war dem Verein ZZF sehr daran gelegen, dass der Name erhalten bleibt, weil viele Leute seit Jahren daran arbeiten und das nicht aufgeben wollten.

CHRISTIN KRAUSE: Über die Verwendung des Namens gab es einen Vergleich mit Kristin Dittrich, in dessen Folge die Namensrechte nun beim Verein liegen. Unsere Vorgängerin ist nicht mehr Vereinsmitglied, wird aber offiziell als Gründungsdirektorin des Festivals benannt.

kreuzer: Was sind die größten Veränderungen im Vergleich zu den letzten Festivals?

KRAUSE: Wir verstehen den Begriff »Fotografie« nicht mehr so eng wie in den vorangegangenen Festivals. Das heißt, dass wir nicht mehr nur Prints an der Wand präsentieren, sondern in den vier Ausstellungen auch verstärkt Videos und Installationen zeigen und danach fragen, wie Fotografie im Kunstkontext verhandelt wird.

SCHEFFLER: Hinzu kommen zahlreiche strukturelle Veränderungen: Das Festival wird künftig alle zwei Jahre stattfinden, weil es ein erheblicher Finanz- und Arbeitsaufwand ist, eine Veranstaltung von solchem Umfang sorgfältig vorzubereiten. Zudem gibt es keinen Wettbewerb und keine Portfolio-Review mehr. In erster Linie ist uns wichtig, ein relevantes Thema zu haben, mit dem sich die vier Ausstellungen und das Begleitprogramm auseinandersetzen.

kreuzer: Das Thema ist »The History of Now«. Was bedeutet das?

SCHEFFLER: Ausgangspunkt waren der gegenwärtig viel diskutierte Begriff des Dokumentarischen und die Frage, wie die Beschreibung von Welt, von Tagesgeschehen und komplexen Zusammenhängen mit fotografischen Bildern funktioniert und welchen anderen Denkraum Kunst im Vergleich zum journalistischen Bildgebrauch in diesem Zusammenhang aufmachen kann.

KRAUSE: Wir haben dazu eine Gruppenausstellung in der Halle 12 der Baumwollspinnerei konzipiert. Das Künstlerduo Korpys/Löffler zeigt Arbeiten in der Halle 14 und Sebastian Hau stellt in der Galerie Archiv Massiv das Fotobuch in den Fokus. Zudem wollten wir einen Sammler einladen, einen Teil seiner Sammlung zum Festival zu präsentieren. Leider ist uns das aus verschiedenen Gründen in diesem Jahr nicht gelungen, sollte aber in Zukunft weiter Ziel bleiben.

SCHEFFLER: Kurzfristig entstand die Idee, Hochschulklassen einzuladen. Wir haben dann Heidi Specker, Professorin der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Hito Steyerl, Professorin an der Universität der Künste Berlin, sowie Elisabeth Neudörfl, Professorin der Folkwang Universität der Künste Essen, angesprochen, mit ihren Studenten eine Präsentation zum Festivalthema zu erarbeiten. Da hat sich inzwischen eine recht große Dynamik entwickelt, und wir sind wirklich froh, die Klassen bei F/Stop dabei zu haben.

kreuzer: Was ist neben der thematischen Setzung das verbindende Element der Ausstellungen?

KRAUSE: Was das Festival zusammenhält, ist weniger, dass sich alle Künstler an einem Thema abarbeiten, sondern dass sie alle eine ähnliche Haltung vertreten, sich mit gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzen und sich dabei der Schwierigkeiten fotografischer Berichterstattung bewusst sind.

kreuzer: Was ist das Ziel für F/Stop 2012?

SCHEFFLER: Wir würden uns freuen, wenn die Neupositionierung des Festivals angenommen wird und wir mit den Ausstellungen und dem gesamten Festivalprogramm interessante Aspekte in die Diskussion fotografischer Bilder einbringen können. Wir merken, dass die Leute daran interessiert sind, dass es F/Stop in Leipzig gibt. Das übt natürlich nicht unerheblichen Druck auf uns aus. Wir sind ja weitgehend unbeschriebene Blätter und haben nicht schon zehn Ausstellungen gemacht, die alle super gelaufen wären. Das Ganze ist für uns auch ein ziemlich großer Lernprozess.

KRAUSE: Es würde uns nicht wundern, wenn uns Frank Motz von der Halle 14 für seine nächste Ausstellung »Über den Dilettantismus« ansprechen würde (lacht).


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