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Filmkritik

Das neue Herz von Jenin

»Cinema Jenin« erzählt vom Kampf für ein Kino in der Westbank

  Das neue Herz von Jenin | »Cinema Jenin« erzählt vom Kampf für ein Kino in der Westbank

Vor zwei Jahren wurde das traditionsreiche Kino in Jenin wiedereröffnet. Heute zählt es zu den wichtigsten Kultureinrichtungen der Region.

Im Eingangsbereich steht eine kleine Popcornmaschine. In einem Schaukasten mit dunklem Holzrahmen hängen Bilder mit Filmszenen, zum Beispiel aus »Johnny English«, »I am Legend« und allerhand arabischen Filmen. Seit 2010 hat das kleine Kino in Jenin wieder geöffnet. Bis dahin stand es über zwanzig Jahre leer. Aus Sicherheitsgründen wurde es im Westjordanland während der Ersten Intifada 1987 geschlossen. Es ist ein ambitioniertes Projekt – angetrieben von dem deutschen Filmemacher Marcus Vetter, der während der Dreharbeiten zu seinem Dokumentarfilm »Das Herz von Jenin« den Wiederaufbau organisatorisch in die Hand nahm (siehe kreuzer 09/10). Nun ist das Kino mit seinen 350 Plätzen, einer 35-mm-Vorführmaschine und einem digitalen Projektor wieder funktionstüchtig.

Von einem regelmäßigen Spielbetrieb kann aber keine Rede sein. Gerade junge Jeniner sind es nicht gewohnt, für Filme in ein Lichtspielhaus zu gehen. Manchmal schiebt der künstlerische Leiter Ismael Jabarin vorbeikommenden Schülern eine mitgebrachte DVD in den Player, damit sie für ein paar Stunden in den Genuss einer großen Leinwand kommen. »Die sollen ins Kino gehen, weil sie hier eine Atmosphäre erleben, die sie zu Hause nicht haben können«, sagt er. »Im Kino können sie dem Alltag entfliehen.« Das Meer ist gerade einmal acht Kilometer entfernt, doch die meisten jungen Jeniner kennen es nur aus Filmen.

Regelmäßig gibt es Auseinandersetzungen zwischen den Kinobetreibern und den Jeniner Geistlichen über die Programmauswahl. Streitfragen sind immer wieder: Wird in den westlichen Filmen zu viel geküsst? Wird der Islam in ein schlechtes Licht gerückt? Die Betreiber um Jabarin halten sich an die strengen Auflagen. »Man muss hier sehr vorsichtig sein«, sagt der Cineast. »Wenn man in Jenin lebt und Kultur macht, kann man die Politik nicht vergessen.« Schon dreimal wurde er bei der Polizei vorgeladen.

In seinem neuen Dokumentarfilmprojekt »Cinema Jenin«, der seit Ende Juni hierzulande in den Kinos läuft, erzählt Marcus Vetter die Geschichte des Wiederaufbaus, von den bürokratischen Schwierigkeiten in dem selbst verwalteten Palästinensergebiet, herben Rückschlägen und kleinen Erfolgen. Der Untertitel des Filmes lautet: »Die Geschichte eines Traums«. Vergleicht man das Kino heute mit seinem Aussehen am Anfang des Dokumentarfilms von Vetter, als das Kino noch eine Ruine war, dann hat sich der Traum im Westjordanland schon erfüllt.


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