Schon seit Juli 2012 schreibt André Münster,Urgestein der Leipziger Gastro-Szene, ein neues Kapitel seiner Geschichte. In der Alten Ziegelei in Gohlis eröffnete er ein Restaurant und gab ihm seinen guten Namen. Warum die kreuzer-Redaktion erst jetzt darüber berichtet? Versuchen Sie mal, dort kurzfristig einen freien Tisch zu reservieren!
Erst beim etwa fünften Anlauf hört die Schreiberin dieser Zeilen, wie die weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung nicht gleich absagt, sondern nach hinten fragt, ob sie den einzigen freien Tisch des Abends »weitervergeben darf«. Sie darf! Und so sitzen wir an einem Mittwoch freundlich empfangen an unserem Tisch. Das Warten hat sich gelohnt, denn es wird ein wunderbarer Abend. Unter anderem auch deshalb, weil das Team aufeinander eingespielt ist und jeder weiß, was wann zu tun ist. Verwundern muss das niemanden, arbeitet Münster doch mit seiner gesamten Crew seit Jahren zusammen. Und so trägt die Küche zuerst die Handschrift von Stephan Kujat. Axel Schuhmacher leitet das Restaurant. Zudem ist André Münster selbst sehr präsent, empfiehlt Weine, kümmert sich und schaut, wo’s fehlt.
Schon die zwei verbundenen Räume mit dem massiven, gut ausgestatteten Tresen, unverputztem Mauerwerk und Tischen aus Eichenholz wirken als Unikat. Für weiches Licht sorgen Kerzen und eine originelle Deckenleuchte mit Spießen für leer getrunkene Weinflaschen. Damit ist Münsters Thema klar: Das Getränkeangebot dominieren edle Tropfen, vor allem aus europäischen Anbaugebieten und ganz speziell aus den deutschen. Von den Hängen an der sächsischen Elbe ist zum Beispiel das Weingut Drei Herren dabei, von denen an Saale und Unstrut die Winzer André Gussek und Klaus Böhme. Wir lassen uns von André Münster nach einem Crémant Blanc als Aperitif zu jedem Gang des Menüs einen anderen Wein empfehlen und fahren gut damit, besonders hervor tut sich ein Riesling der Einzellage Scharzhofberg an der Saar vom Weingut Peters.
Die eher knapp als ausladend aufgelegte Speisekarte bietet alles für ein schönes Menü. Der Erste in der Runde wählte ein Süßkartoffel-Curry-Süppchen mit einem Satay-Spießchen vom Lamm, geschmorte Bäckchen vom Duro-Schwein auf Kartoffel-Meerrettichpüree und Crème Brûlée, die Zweite zuerst ebenfalls eine Suppe, eine Bisque mit pikant-scharfen Kokos-Chiliaromen und Zanderfilet. Die für den Hauptgang geäußerte Bitte, das Rote-Bete-Risotto zum Steinbutt auszutauschen, wird mit einem würzigen Püree erfüllt. Dazu schmecken Stücke vom knackig geschmorten Puntarella. Das ist ein Wintersalat, dessen Geschmack an Gemüsefenchel erinnert und den es nur vom späten Herbst bis zum Frühling gibt. Als Dessert kommt dann eine Mille Feuille von Quitten und Schokolade mit Vanilleeis auf den Tisch. Bevor es überhaupt losging, hatte die Küche warmes Brot und für jeden eine kleine Portion Crepinette von Kaninchen als Appetitanreger servieren lassen.
Die Freude über die gelungenen Gänge dauert sogar an, als wir die Rechnung in den Händen halten: Inklusive der begleitenden Weine und zwei Flaschen Wasser stehen rund 90 Euro darauf. Gemessen am Können der Köche und dem angenehmen Service darf das als günstig gelten. Und so entern wir die Bar in der oberen Etage, schließlich haben kreuzer-Leser Anspruch auf umfassende Informationen.
Gegen 22 Uhr haben wir im Reich von Thilo Gehrisch noch die Wahl zwischen mehreren hellen Tischen, was sich allerdings dann auch schnell wieder ändert, darf doch hier oben geraucht werden. Nichtraucher wird das kaum stören: Die Belüftung funktioniert tadellos. Und tadellos sind auch die Spezialitäten, die der Barchef in die Gläser füllt: Ob von der Karte oder frei gemixt. Wer ihm seine Wünsche anvertraut, wird keine Enttäuschung erleben, sondern gern wiederkommen. Aber wie gesagt, unbedingt reservieren! Am besten Wochen im Voraus.