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Konzertkritik

Alles muss in Flammen stehen

Bericht eines Rausches mit Godspeed you! Black Emperor

  Alles muss in Flammen stehen | Bericht eines Rausches mit Godspeed you! Black Emperor

Gestern spielte die kanadische Band Godspeed you! Black Emperor im UT Connewitz. Es war heiß, voll und laut. Und nahm einen mit.

Ein Konzert wie ein Rausch. Hitze im UT. Voll ist es, wohl ausverkauft. Acht Menschen auf der Bühne. Acht! So viel Gitarre, so viel Schlagzeug, so viel Bass. Dann eine Violine, ein Kontrabass. Ein Lärm, der einen mitnimmt. Auf der Leinwand Passfotogesichter, Buchstaben schreiben hope, dann danger, Zeitungsfetzen erzählen Geschichten, denen man nicht folgen kann. Beim nächsten Song – ach, von Song kann keine Rede sein, Eskapaden, 20-minütige musikalische Ausuferungen – verlieren sich die Schienen hinterm Zug auf wackeligem Video. Wegfahren, raus, weg. Fernweh kommt auf, die Musik bringt einen woandershin. Ohne Texte, ohne Gesang, keine Anweisung, reine Assoziation. Ein dunkler, verschwitzter Sommernachtstraum. Sag jetzt bloß nicht »Kopfkino«. Nicht nur der Schweiß rinnt, alles verrinnt, in Schwarzweiß geht die Sonne hinter Bäumen unter. Die Gitarren werden im Sitzen bearbeitet, das Schlagzeug im Stehen. Mehr Post als Rock. Kaputte Häuser ziehen vorbei. Bühnenlichter leuchten rot, die Wandfassade bröckelt schon immer. In den vorderen Reihen nicken die Köpfe auf und ab. Eine flüchtige Umarmung. Sein Schweiß, mein Schweiß. Nichts zu sagen, nur laut ist es. Das Bier so warm wie meine Hand. Die grandiose Vorband Air Cushion Finish hat ihre ruhigeren, verzerrten Klänge Edward Snowden gewidmet, Godspeed you! Black Emperor – ja, ein Name wie ein Programm – widmen hier gar nichts, schweigen und doch ist da die Kritik an den Zuständen zum Greifen nah. Jetzt auch noch Feuer im Film. Alles muss in Flammen stehen. Sie brennen, wir brennen, Fabriken brennen. Keine Zeit für Beifall, zu viel Krach. Dann doch Jubel … und Zugabe. Im Video schiebt ein Mensch einen anderen Menschen im Rollstuhl über die Straße, Schatten und Silhouetten verschwimmen. Der Barmann schenkt die fehlenden zwanzig Cent zum letzten Bier. Gute Nacht! Sehr gute Nacht. In Worten kaum zu fassen.


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