Was passiert mit Produktionsstätten, wenn sie nicht mehr Ort der Produktion sind? Eine Frage, auf die Leipziger dank Westwerk, Feinkost, Tapetenwerk und Spinnereigelände klar antworten können: Erhalt, Umnutzung, Ansiedlung von Kunst und Kultur, Werkstätten und Freizeitangeboten. Hier beeinflussen ehemalige Produktionsstätten dank Kino oder Flohmarkt die Wochenendplanung.
»Wir glauben, dass diese ehemaligen Industriegebäude und ihre heutige Nutzung auch die Mentalität der Leipziger prägen«, sagt Anissa Mechouek. Die Französin lebt seit fünf Jahren in Leipzig, hat ihre Masterarbeit über die Halle 14 geschrieben und organisiert nun als Teil der Gruppe pi.lab die Postindustriale, eine Ausstellung zur Leipziger Industriekultur. Dass diese zeitlich an den Tag der Industriekultur andockt, ist kein Zufall, sondern bewusste Setzung der Gruppe aus deutschen und französischen Kunst- und Kulturwissenschaftlern. Doch während der Tag der Industriekultur am 31. August mit Werkbesichtigungen, Lesungen und Filmvorführungen vor allem zurückblickt (kreuzer 08/2013), will die Postindustriale mittels Kunst nach dem Dasein vormaliger Industriegelände heute und in der Zukunft fragen.
Über Open Call wurden Leipziger Künstler gefunden, deren Arbeiten sich mit dem Thema auseinandersetzen. Vertreten sind unter anderem Candace Goodrich, Ute Haring und René Sievert. Die Ausstellung im Tapetenwerk steht somit bereits stellvertretend für eine Möglichkeit der Neu- und Umnutzung. Parallel finden Führungen über das Gelände des Selbigen statt. Zwei Vorträge nutzen wiederum die Galerie KUB, 1926 als Kunst- und Bauschlosserei erbaut, als Diskussionsort. So spricht beispielsweise Michael Ziehl vom Hamburger Gängeviertel am 1. September über sinnvolle Revitalisierung, während Alexander Biermann seinen Dokumentarfilm »Der Lauf der Dinge« vorstellt. Unter dem Titel »Von der Hand- zur Kopfarbeit« sitzt vier Tage später unter anderem Ivo Zibulla, Vorsitzender des Vereins Kreatives Leipzig, auf dem Podium.
Für 2014 ist Ähnliches geplant, auch eine Kooperation mit Leipzigs Partnerstadt Lyon kann sich die Gruppe vorstellen. Für beide Vorhaben ist eine bewusste Einbeziehung der Spinnerei sicher sinnvoll. Denn kein anderes Gelände in Europa steht stellvertretend für die sinnvolle wie erfolgreiche Revitalisierung eines Industriegeländes − unter anderen mittels Kunst und Kultur.