Bereits mit seinem Abtreibungsdrama »Vier Monate, drei Wochen, zwei Tage« empfahl sich Cristian Mungiu einem internationalen Publikum. Mittlerweile gehört er zu den wichtigsten Vertretern des Neuen Rumänischen Kinos. In »Jenseits der Hügel« erzählt er von einer ungewöhnlichen Frauenfreundschaft – unser Filmtipp der Woche. Dem gegenüber steht das unschöne Regiedebüt des amerikanischen Schauspielers Joseph Gordon-Levitt – unser Flop der Woche. In »Don Jon« schießt der Jungfilmer eifrig übers Ziel hinaus mit seiner Geschichte über einen Sexsüchtigen, der auf seine Traumfrau trifft und Einsicht und Reue finden will. Hm, vielleicht ist es auch zu hart, dieses Debüt so runterzureden, immerhin gibt es da noch zwei alte Actionhasen, die einen peinlichen Auftritt auf der Leinwand wagen. Das sind nur die Speerspitzen aus einer Fülle an Neustarts, die in dieser Woche einige spannende Streifen bereithalten. Dazu feiert heute auch noch die vierte Ausgabe der Lateinamerikanischen Filmtage ihren Auftakt in der Schaubühne Lindenfels.
»Das gehört sich nicht.« Immer wieder weist die junge Nonne Voichita ihre Freundin Alina im Kloster zurecht. Die ist nach Rumänien zurückgekehrt, um ihre beste Freundin dort wegzuholen. Die beiden Mädchen sind in einem Waisenhaus aufgewachsen. Während Alina ihr Glück in der Ferne, in Deutschland, sucht, hat sich Voichita in die Einöde einer orthodoxen Klostergemeinschaft zurückgezogen. Cristian Mungiu erzählt in seinem neuen Film »Jenseits der Hügel«, der 2012 in Cannes sowohl mit dem Drehbuch- als auch mit dem Darstellerinnenpreis ausgezeichnet wurde, von einer ungewöhnlichen Frauenfreundschaft. Die erschütternde Geschichte eines Mädchens, das eine Freundin in einem kleinen abgelegenen Kloster in Moldawien besucht und dort einige Wochen später nach dem Abhalten eines »Exorzismus« stirbt, beruht auf einer wahren Begebenheit. Mungius selbsterklärte Absicht aber war es, sich so weit wie möglich vom realen Vorfall wegzubewegen. In seinem zweieinhalb Stunden langen Werk konzentriert sich Mungiu nicht nur auf den Hauptkonflikt zwischen der Fremden und den strengen Glaubensstrukturen der orthodoxen Kirche. Mit Letzterer geht er zweifelsohne hart ins Gericht. Es ist die junge Voichita, die stets im Fokus der klaren, ungeschönten Bildarrangements steht und sich dennoch so passiv durchs Geschehen bewegt, dass sie allerhand Fragen beim Zuschauer aufwirft. Die ganze Kritik können Sie im aktuellen kreuzer nachlesen.
»Jenseits der Hügel«: 14.–16.11. Cineding, 28.11.–1.12., 3./4., 6., 10.12. Schaubühne Lindenfels
Wenige Monate nach dem Mauerfall machen fünf Freundinnen 1990 in Dresden ihr Abitur. Dann verlassen sie alle erst einmal die Stadt, um die Freiheit des Westens zu erleben. 20 Jahre später treffen sie sich wieder, um gemeinsam die Orte ihrer Jugend aufzusuchen und Zwischenbilanz zu ziehen. »Zonenmädchen« ist ein privater Blick zurück, der fünf Freundinnen in ihre Vergangenheit abtauchen und alte Träume mit dem Heute abgleichen lässt.
»Zonenmädchen«: ab 14.11. Kinobar Prager Frühling, Schauburg
Nach dem indonesischen Militärputsch 1965 wurden innerhalb eines Jahres über eine Million vermeintlicher Kommunisten umgebracht. Die Morde wurden nie geahndet. Stolz erzählen die Täter heute noch vom damaligen Kampf und sind vor allem erst einmal begeistert, als sie gebeten werden, die Morde für diesen Film zu inszenieren. Voller Eifer suchen sie Schauspieler, lassen Kostüme entwerfen und diskutieren mögliche Szenarien. Das Projekt bringt die Männer schließlich zum Reden und zum Nachdenken über ihre Taten. Ein erschütternder und unangenehmer Film, der Gewalt in ihrer brutalen Wahrheit zeigt.
»The Act Of Killing«: 14., 16., 19.11., Kinobar Prager Frühling
»Coming Forth By Day« zeigt einen Tag im Leben von Soad (Donia Maher), die mit ihrer Mutter Hayat (Salma Al-Najjar) und dem bettlägerigen Vater (Ahmed Loutfi) am Rande Kairos lebt. Während hinter halb geschlossenen Läden helles Sonnenlicht scheint und die Geräusche der Stadt zu vernehmen sind, verströmt im Inneren der Wohnung alles den Geruch von Alter, Krankheit, Stagnation. Geduldig und konzentriert folgt die Kamera den routinierten Handgriffen und Verrichtungen der jungen Frau, fängt einen privaten Kosmos zwischen Frustration und Momenten großer Zärtlichkeit ein. Der Film feierte seine Deutschlandpremiere im Forum der Berlinale in diesem Jahr.
»Coming Forth By Day«: ab 18.11. in Anwesenheit der Regisseurin und Hauptdarstellerin
Sonja (Vilde Zeiner) versteckt sich im Schloss und hört mit an, wie der König (Anders Baasmo Christiansen) von seiner Tochter erzählt, die auf der Suche nach dem Weihnachtsstern verschwand. Gepackt von seiner Trauer verfluchte der König den Stern, so dass auch dieser spurlos verschwand. Doch nur wenn der König den Weihnachtsstern in den noch verbleibenden Tagen bis Heiligabend findet, wird Prinzessin Goldhaar zurückkehren können. In Norwegen war das sympathisch-charmante nordische Märchen »Die Legende vom Weihnachtsstern« 2012 ein Publikumshit. Hierzulande dürfte der Streifen auch etwas für Jung und Alt bereithalten. Eine unterhaltsame Einstimmung auf die bevorstehende Weihnachtszeit.
»Die Legende vom Weihnachtsstern«: ab 14.11. Cineplex im Alleecenter, CineStar, Passage Kinos
Und noch mehr Filmkost aus dem Norden: Als Oscar (Kyrre Hellum) aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht, findet er sich blutverschmiert und umgeben von Leichen in einem Strip-Lokal wieder. Er kann sich nicht mehr so recht daran erinnern, was passiert ist. Erst nach einiger Zeit kehren die Erinnerungen zurück. Oscar und seine Freunde haben den Jackpot geknackt. Unterhaltsame Krimikomödie um einen Haufen Kleinkrimineller, die aber nicht so recht den Charme gleichgesinnter Streifen aus dem Norden versprühen kann.
»Jackpot«: ab 14.11. Schauburg
Im neuen Tom-Hanks-Film »Captain Phillips« überfallen Piraten ein Containerschiff und nehmen den Kapitän als Geisel. Das erinnert an den eindrucksvollen Dokumentarfilm »Der Kapitän und sein Pirat«, der im letzten Jahr im Wettbewerb von DOK Leipzig lief und im Dezember auch noch mal im Cineding gezeigt wird. In Paul Greengrass’ Film entern somalische Piraten das amerikanische Containerfrachtschiff MV Maersk Alabama. Der Kapitän bietet sich im Austausch für seine Mannschaft als Geisel an und auf hoher See kommt es zu dramatischen Auseinandersetzungen. Ein intensives, atmosphärisch dichtes und visuell beeindruckendes Werk, das den Zuschauern ein wenig den Atem raubt.
»Captain Phillips«: ab 14.11. Cineplex im Alleecenter, CineStar, Regina Palast
Und wieder ein Seniorentrupp, der es noch mal krachen lassen will. In »Last Vegas« reisen die langjährigen Freunde Billy (Michael Douglas), Paddy (Robert De Niro), Archie (Morgan Freeman) und Sam (Kevin Kline) nach, ja klar, Las Vegas, um den Junggesellenabschied des Erstgenannten zu feiern. Doch in der Glitzermetropole angekommen, merken die vier schnell, dass sich nicht nur die Stadt verändert hat. Auch an ihnen sind ein paar Jahre vorübergezogen und die Freundschaft wird auf eine Probe gestellt. Amüsante Komödie mit Wohlfühlfaktor.
»Last Vegas«: ab 14.11. Cineplex im Alleecenter, Regina Palast
Jon Martello (Joseph Gordon-Levitt) ist ein Frauenheld, der seine Objekte der Begierde gerne benotet, bevor er sie mit nach Hause nimmt. Don Jon wird er ehrfurchtsvoll von seinen Freunden genannt. Wegen des wohl größten Frauenhelden der Literaturgeschichte, Don Juan. Doch auch wenn Jon regelmäßig eine Acht bis Zehn, das sind die höchsten Bewertungen, mit nach Hause nimmt, am Ende der heißen Nacht sitzt er doch wieder vor dem Computer und schaut Pornos. Jon ist sexsüchtig. Das will er ändern oder so ähnlich, als er seiner Traumfrau (gespielt von Scarlett Johansson) begegnet. Übereifriges Debüt, das sicher seine Liebhaber findet, aber für einige andere wohl eindrucksvoll gegen die Wand fährt.
»Don Jon«: ab 14.11. CineStar
Und da gibt es ja noch Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger, die sich auf gewohntem Terrain ungelenk durchs Action-Setting hieven.
»Escape Plan«: ab 14.11. Cineplex im Alleecenter, CineStar
Sie ist eine erfolgreiche Ärztin und verdient das Geld. Er ist Theaterregisseur und vor allem mit den Kindern beschäftigt. Mit großer Leichtigkeit inszeniert Robert Thalheim den alltäglichen Wahnsinn des heutigen Elternseins in seinem neuen Film. Unser Autor Martin Schwickert hat sich mit Thalheim über »Eltern« und Geschlechterkämpfe unterhalten.
Filmfutter jenseits der Neustarts:
4. Lateinamerikanische Filmtage
Sie spaziert durch die düsteren Ecken und U-Bahn-Stationen von Buenos Aires – stets auf der Suche nach männlichen Opfern, die sie erst in ihr Bett lockt und dann ins Jenseits schickt. Der Independentfilm »Wolfsfrau« von Tamae Garateguy blickt unverschämt und unermüdlich auf eine moderne Serienmörderin. Der trashige Horrorthriller wird zusammen mit der deutsch-argentinischen Koproduktion »Der deutsche Freund« von Jeanine Meerapfel in der Schaubühne Lindenfels die 4. Lateinamerikanischen Filmtage eröffnen. Vom 14. bis 29.11. zeigt der Leipziger Verein Sudaca im Cineding, der Cinémathèque in der naTo, im GWZ und in der Schaubühne Lindenfels insgesamt 23 jüngere Spiel- und Dokumentarfilme, die aktuelle kulturelle und politische Entwicklungen aufgreifen und einen Einblick in eine spannende Region gewähren.
14.–29.11. Cineding, Cinémathèque in der naTo, GWZ, Schaubühne Lindenfels, Programm unter: www.lateinamerikanische-tage.de
Weitere Filmbesprechungen und -tipps finden Sie hier und in unserer Printausgabe.
Gute Unterhaltung im Kinosessel!