Das italienische Regietalent Damiano Michieletto gibt mit »The Rake's Progress – Die Karriere eines Wüstlings« an der Oper Leipzig sein Deutschlanddebüt. Im Interview erklärt er, warum das Leben nicht nur ein Picknick am Samstagnachmittag ist.
kreuzer: »The Rake's Progress« behandelt »Die Karriere eines Wüstlings«. Diabolische Einflüsterungen treiben einen jungen Erben in den Ruin. Was reizt Sie an dem dunklen Stoff?
DAMIANO MICHIELETTO: Ich mag die einfache Botschaft: Dem Teufel kannst du nicht entgehen. Im Epilog versuchen alle Figuren, den Teufel zu töten, aber es gelingt ihnen nicht. Das heißt, du kannst die Schattenseite des Lebens – der Teufelscharakter heißt ja Nick Shadow – nicht abschütteln. Das Leben ist eben nicht simpel und schön. Man muss verstehen, dass die Existenz komplex ist, es aushalten, dass sich zur Freude auch Schmerz gesellt. Wo Licht ist, da gibt es auch Schatten.
kreuzer: Die Moral der Geschichte ist also nicht das exemplarische Vorführen des Niedergangs des Helden, sondern dass das Dasein nicht nur schön sein kann?
MICHIELETTO: Ja. Das würde es langweilig machen, wenn das Leben nur ein Picknick an einem schönen Samstagnachmittag wäre. Es ist ein klassisches Thema, wie in »Don Giovanni« zum Beispiel. Neugier und Leidenschaften, mit allen Gefahren dabei, machen uns erst als Menschen aus.
kreuzer: Igor Strawinsky wurde zu der Oper durch einen Gemäldezyklus inspiriert. Zielt Ihre Inszenierungsidee auch auf eine Art Tableau ab?
MICHIELETTO: Ich orientiere mich nicht an den Gemälden. Für uns dient ein Swimmingpool voll Gold als Metapher für den Niedergang Tom Rakewells. Die Stadt London und der Exzess werden so symbolisiert. Neonschriften mit den sieben Todsünden hängen in der Luft. Stück für Stück wird dieser Pool schmutziger und zerstörter, schließlich zum Käfig und Irrenhaus.
kreuzer: Sie arbeiten erneut mit dem Bühnenbildner und der Kostümdesignerin zusammen, die Ihnen vertraut sind. Sie setzen auf Teamwork?
MICHIELETTO: Ja. Das ist eine sehr positive Zusammenarbeit, während der in gemeinsamen Diskussionen die Inszenierungen entstehen. Wir reden, teilen Ideen. Meine Inszenierungsidee wirkt sich zum Beispiel natürlich aufs Bühnenbild aus. Aber wie dieses visualisiert wird, hat auch wieder Effekte auf meinen Inszenierungsansatz. Macht man alles allein, dann steht man eben nach ein paar Produktionen allein da, ohne den wichtigen Input von außen.
kreuzer: Wie entdeckten Sie die Oper als Medium für sich?
MICHIELETTO: An der Theaterhochschule merkte ich, dass ich in Schauspielstücken viel mit Musik arbeitete. Ich benutzte die Musik als erzählerisches Mittel. Und das Wesen der Oper ist es, mit den Mitteln der Musik eine Geschichte zu erzählen. So kam ich zur Oper.
kreuzer: Was finden Sie an der Musik in »The Rake’s Progress« besonders?
MICHIELETTO: Sie ist originell und anspruchsvoll. Sie ist sehr lyrisch und klar im Geschichtenerzählen, Musik und Wort gehen eine geniale Symbiose ein, weshalb ich die Oper für ein Meisterwerk des Musiktheaters halte.
kreuzer: Es ist Ihre erste Inszenierung in Deutschland, dabei gelten Sie seit zehn Jahren als großes Talent. Warum hat man Sie in Deutschland bisher verschmäht?
MICHIELETTO: Das würde ich nicht sagen. Ich habe hauptsächlich in Italien gearbeitet, aber auch in Österreich und der Schweiz. Nun freue ich mich auf die Premiere in Leipzig. Als Star oder irgendwie schon fertiger Theatermacher fühle ich mich nicht. Ich möchte noch vieles erfahren und lernen, da ist es immer wieder eine schöne Möglichkeit, an einem anderen Opernhaus zu arbeiten.